Angor - Schatten der Vergangenheit (Kriminalroman)
wahr. Meine Mam ist der wahre Held meiner Familie und nicht mein Dad oder ich. Sie hat mit Würde mehr ertragen als mein Dad und ich in irgendwelchen Kampfeinsätzen. Ich wollte schon vorm Golfkrieg 1991 meinen Rücktritt vom aktiven Dienst einreichen und bei Leeds einsteigen. Aber ich habe es nicht fertiggebracht. Ich hätte ihm nicht mehr in die Augen schauen können. Wahrscheinlich bin ich doch nicht ganz so besessen von der Spezialeinheit und ihrem Mythos wie mein alter Herr. Dein Dad hat mir zu der Zeit ein lukratives Angebot gemacht, niemand mit Verstand hätte es ablehnen können. Dennoch, erst als mein Dad 1992 starb, habe ich es angenommen und den Sicherheitsdienst eures Konzerns neu aufgebaut. Für Geld und andere Vergünstigungen hätte mein Dad dem SAS nie den Rücken gekehrt. Sicher liebe ich ihn noch heute und trage ihn in meinem Herzen, aber er war ein seltsamer harter Knochen.
Selbst als er altersbedingt in den Ruhestand geschickt wurde, bezog er eine kleine Wohnung in Credenhill, nur um in der Nähe seines geliebten Regiments zu sein. Er half dem Quartiermeister, erledigte Hilfstätigkeiten in der Waffenkammer und was weiß ich noch alles. Es war ihm egal, Spencer konnte nicht loslassen. Ein normales alltägliches Leben mit seiner Frau, schöne Reisen oder Kulturelles hat ihn einfach nicht interessiert. Vier Wochen vor seinem Tod ist er bei meiner Mam aufgetaucht und hat ihr gebeichtet, dass er den Kampf gegen seinen Lungenkrebs nicht gewinnen könne. Meine Mam hat ihn, ohne zu murren, bis zum bitteren Ende liebevoll gepflegt .«
Nolan stand kurz auf und legte frische Holzscheite in den Kamin, er brauchte eine kleine Pause.
Dann füllte er die Gläser nach und setzte sich wieder hin. Raven schaute ihn still mit glänzenden Augen an. Sie waren beide angetrunken, aber ihre Sinne waren so sternenklar wie eine Nacht am Polarkreis.
»Die prägendsten Geheimeinsätze hatte mein Dad in den Nachkriegsjahren. Erst 1947 wurde er vom SAS rekrutiert, da muss er fünfundzwanzig gewesen sein. Er gehörte später zu einem Team, das weltweit nach Naziverbrechern fahndete. Beteiligt waren auch Agenten vom SIS und amerikanischen Nachrichtendiensten. Wie man erahnen kann, war es eine äußerst turbulente Zeit. Wo alles nicht so perfekt organisiert und strukturiert war wie heute. Es gab keine miteinander vernetzten Supercomputer und andere technische Hilfsmittel.
Geheimdienste, Sondereinsatzkommandos von Militär und Polizei, Strafverfolgungsorgane, wie wir sie heute kennen, bildeten sich erst im Laufe der nächsten Jahrzehnte. Wohl auch Gründe, warum viele Kriegsverbrechen gar nicht oder oft erst Jahre später aufgedeckt wurden. Und vieles erreichte nie die Öffentlichkeit! Bezüglich deines Dads habe ich eine verstaubte Akte eingesehen und all meine anderen Möglichkeiten zur Recherche g enutzt.
Ich warte noch auf eine entscheidende Information vom Außenministerium, dann kann ich ho ffentlich alles aufschlüsseln. Was auch immer dein Dad als Handelsattaché in Frankreich so getrieben hat, ich hoffe deinetwegen, dass alles ganz anders ist.«
Nolan schluckte kurz, er machte einen Sprung.
»Auch wenn ich genauso wenig wie du kein profunder Historiker bin, weiß ich ein wenig mehr über die düstere Zeit des Holocaust.
Es betraf überwiegend Menschen mit jüdischem Hintergrund, aber auch andere, derer sich die Nazis entledigen wollten.
Zwangsmaßnahmen, Enteignungen und andere Gräueltaten hatten in Deutschland während des Nationalsozialismus ihre Blüte, ja.
Es griff aber recht schnell auf andere Länder über. Fakt ist, dass einzelne Bankiers, Industrielle und Geschäftsleute, Anwälte und auch ganz normale Bürger aus allen Erdteilen, mit den Nazis kollaboriert haben.
Trieb sie eigene Ängste an?
Oder Selbstschutz?
Sicherlich auch! Aber oft steckte die Absicht dahinter, sich Vermögenswerte genötigter, deportierter und auch geflohener Menschen, wiederum meist Jüdischstämmigen, anzueignen. Vielleicht manchmal zufällig, weil sich eine Gelegenheit bot, aber es wurde auch geplant betrieben. Kleinkriminelle und auch große Ganoven, vielerlei Geschäftemacher hatten Hochkonjunktur. Und alle antisemitisch Denkenden trafen wieder mal auf fruchtbaren Boden. Ich denke, dein Vater gehörte zu dieser skrupellosen Spezies, dafür gibt es Hinweise. Damit es keine These bleibt, lege ich dir in den nächsten Tagen unumstößliche Beweise vor. Die Identität deines Peinigers ist mir auch bekannt. Es wird
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