Angor - Schatten der Vergangenheit (Kriminalroman)
seine Pfleger - mehr Bewacher sprachen nur das Nötigste. Ein verantwortlicher Arzt hatte sich noch nicht blicken lassen. Seine ärztliche Versorgung und Verpflegung war bestens. Bis auf die Mittelchen, die Raven ruhigstellten. Seine Gedanken waren aber klar, dafür hatte er auch keine Erklärung. Noch hatten sie keinen willenlosen Zombie aus ihm gemacht. Raven hörte den Schlüssel im Schloss drehen, er stellte sich schlafend.
Die Tür wurde diesmal nicht mit Schwung aufgerissen und prallte nicht geräuschvoll ge gen den Gummipropfen im Boden. Er roch ein ihm bekanntes Aftershave, sein Freund Nolan erschien endlich.
Raven drehte seinen Kopf, er sprach mit einer spürbaren Erleichterung:
»Nolan, warum hat das solange gedauert?«
»Es tut mir leid Raven, es ist nur zu deinem Besten .«
Nolan drüc kte von innen die Tür wieder zu. Er nahm sich einen Stuhl von der seitlichen Wand, stellte ihn neben das Bett und setzte sich. Er blickte seinem Schwager tief in die Augen. Raven regte sich nicht einmal auf oder konnte es nicht.
»Was mache ich hier? Ich verstehe es beileibe nicht, erkläre es mir .«
»Raven … dies hier ist eine psychiatrische Klinik in Schottland, zu Hause hättest du keine Ruhe gefunden.
Du musst gesunden und dann wird alles wieder gut. Du musst uns einfach nur vertrauen .«
»Vertrauen? Uns? Wer ist uns? Ich will hier raus und meine Familie sehen. Sofort!«
Raven wollte keinen Widerspruch hören.
»Das geht leider noch nicht. Schau mich nicht so vorwurfsvoll an, du brichst mir das Herz .«
Beide hatten Tränen in den Augen und Nolan einen dicken Kloß im Hals.
Der immer Eisenharte konnte kaum sprechen: »Ich habe zwei Herren mitgebracht, die werden dir einiges erklären. Dieses Gespräch unterliegt der höchsten Geheimhaltungsstufe, ich darf nicht anwesend sein. Wenn sie gegangen sind, komme ich noch einmal zu dir.«
Nolan legte seinem Schwager kurz die Hand auf die Schulter. Eine vertraute Geste, ein Gefühl von Geborgenheit durchströmte Ravens Körper. Ravens Sinne waren nun glasklar und aufnahmefähig. Nolan stand auf, er ging zur Tür, öffnete sie, ließ sie auf und verließ das Zimmer.
Kurz darauf betraten die angekündigten Geheimnisträger das Zimmer. Raven war ein wenig irritiert. Es bot sich ein ziemlich groteskes und völlig unerwartetes Bild. Seine Erwartungshaltung war eine gänzlich andere. Ein betagter, vom Alter gezeichneter Herr schob einen noch älteren in seinem Rollstuhl vor sich her.
»Guten Tag Mr. Blackstone, darf ich mir erlauben, uns erst einmal vorzustellen. Dies ist Sir John Stow und mein Name ist Sir Malcolm Cornick. Wir bedauern sehr, dass wir uns unter diesen Umständen kennenlernen. Wie ich Ihrem verdutzten Gesichtsausdruck entnehmen kann, haben Sie nicht mit zwei so alten Greisen gerechnet. Aus vielerlei Gründen haben wir uns dazu durchgerungen, mit Ihnen diese Unterhaltung zu führen. Ich habe Kontakt zu Ihrem Schwager aufgenommen, er hat dieses Zusammentreffen arrangiert. Dass er sie nach ihrem Unglück aus der Schusslinie genommen hat, war eine brillante Idee. Ich werde eine Pflegerin rufen, die sie erst einmal von ihren Gurten befreit, das ist ja grausam mit anzusehen. So können wir doch keine vernünftige Konversation führen!«
Raven schaute die beiden Gentlemen nur mitleidig an und erwiderte nichts.
Er war dennoch gespannt wie ein Flitzbogen.
Eine herbeigerufene Pflegerin erlöste ihn von seinen Fesseln. Eine andere brachte ein Tablett mit Tee, Kaffee und Gebäck.
Los machte ihn sei ne Lieblingspflegerin Margret. Ihre unfreundliche und ruppige Art war gänzlich verflogen, heute lächelte sie herzlich. Eine grandiose Schauspielerin …
Sie half sogar dabei, Ravens Bett so einzustellen, dass er eine gute Sitzposition fand. Raven empfand die ganze Situat ion so unwirklich und grotesk. Er wähnte sich in einer billigen Theaterinszenierung, aber er wollte sich bemühen mitzuspielen. Malcolm war der Wortführer und servierte auch höflich die Getränke. Sein Begleiter hatte noch nicht ein einziges Wort gesagt, er hing bedenklich schief in seinem Rollstuhl.
Raven hatte Angst, dass er den heißen Tee über seine dürren Beine verschütten würde. Er versuchte so gelassen wie möglich zu wirken:
»Meine Herren, bitte kommen sie ohne Umschweife zur Sache, ich habe heute noch diverse wichtige Termine!«
Malcolm schaute ihn kurz und eindringlich an, er antwortete nickend:
»Mr. Blackstone, ich kann Ihre Verwunderung bestens
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