Angor - Schatten der Vergangenheit (Kriminalroman)
spärliches Licht. Jules sah zu dem riesigen Engel aus weißem Sandstein auf. Er wachte über den ewigen Schlafplatz dieser angesehenen Familie aus Südfrankreich.
Dann vernahm er leise Trittgeräusche, Walther näherte sich auf leisen Sohlen mit einer Taschenlampe, die punktgenau seinen Weg ausleuchtete. Um diese Uhrzeit befanden sich eher selten Besucher in diesem Karree der uralten Gräber. Vielleicht mal ein paar spaßsuchende Jugendliche, aber nicht heute.
»Na du, wie geht es dir Walther?«
»Gut Jules, sehr gut.«
Beide sprachen leise und ehrfürchtig, dem Ort wahrlich angemessen. Walther schaltete seine kleine Leuchte ab und steckte sie in seine Jackentasche. Sie umarmten sich herzlich.
»Schicke Kleidung Jules, du siehst wie mein Bruder, der Baseballtrainer in Chicago aus .«
Sie mussten beide lächeln.
»Ja, ich bin schön runtergekommen.
Wer waren die beiden Typen in deinem Zimmer ?«
»Das waren zwei britische MI6 Agenten, quasi junge Kollegen von dir. Sie wollten wissen, wann und wo wir uns treffen wollen. Lustig nicht? Mann, was hast du da nur losgetreten, Jules ?«
»Nur eine alte Episode von gierigen Menschen, also wie meistens …«
Jules brach ab, denn er schaute auf Walthers rechte Hand, in der er seine Walther P99 mit aufgeschraubtem Schalldämpfer regelrecht hervorgezaubert hatte.
Noch einer aus der Zunft der Illusionisten …
»Was soll das? Wir sind Freunde, ich habe dir hier an dieser Stelle dein Leben gerettet.
Willst du mich wirklich ans Messer liefern?
Was haben sie dir versprochen?
Du machst das doch nicht etwa für Geld?
Ich hätte es dir gegeben!«
»Drauf geschissen Jules.
Jeder ist sich selbst der nächste, es geht nicht anders. Wir sind beide ungefähr gleich alt, du siehst top aus und bist fit wie ein Turnschuh. Und ich?
Mein Körper ist vom Krebs zerfressen.
Weißt du, wie teuer in den Staaten eine menschenwürdige Behandlung und Chemotherapie ist? Was die besten Spezialisten für Honorare fordern? Mann, Jules, meine Rentenbezüge sind erbärmlich, meine Ersparnisse kaum noch der Rede wert. Ich möchte gefälligst noch ein paar Jahre gepflegt leben. Genauso wie du habe ich mich für mein Land aufgeopfert und was habe ich heute davon?
Drauf geschissen, Jules!
Du hättest mir die UTM-Koordinaten von diesem deutschen Drecksack nicht nennen sollen.
Aber nun genug …«
»Warte Walther, bevor du mich gleich wie einen räudigen Hund erschießt. Erzähl mir noch, warum das hier heute so enden soll.
So möchte ich nicht abtreten.
Das bist du mir schuldig!«
»Es ist kurz erzählt … Jacob Rosen kannte ich nicht persönlich, Hugh und Ralph Sturdet schon. Wie du weißt, werden die meisten Geheimdokumente mindestens dreißig Jahre unter Verschluss gehalten und dann erst für die Öffentlichkeit freigegeben.
Einige natürlich nie.
Der alte Sturdet bat mich sch on vor vielen Jahren um Hilfe. Es war mir aber nicht möglich, ihren Verschwörungstheorien neue Nahrung zu geben. Ich konnte seinerzeit weder bei uns noch bei britischen Stellen alte Verschlusssachen finden, die in ihrer Sache etwas offenbart hätten. Eigentlich hatte ich diese Angelegenheit schon wieder vergessen. Bis Ralph Sturdet mich anrief und mir die Geschichte mit der ersteigerten Brosche erzählte. Zu dem Zeitpunkt wollte ich diesem verzweifelten Krüppel wirklich nur einen kleinen Gefallen erweisen. Ich sollte für ihn einen harten Hund finden, der nicht gleich weglaufen würde, wenn es etwas haarig werden könnte.
Der für ihn ein paar Ermittlungen anstellen sollte, da habe ich sofort an dich gedacht. Das war die beste Idee, die ich je hatte! Natürlich nur auf mich bezogen, und weil du mich immer schön auf dem Laufenden gehalten hast. Du musst deshalb sterben, damit alles schön eingestaubt bleibt. Jules, du hast nur etwas zu tief gebohrt und ahnst ja gar nicht, was du für eine große Sauerei aufgedeckt hast. Drauf geschissen!
Eins noch! Falls du Sturdet, Rosen und andere Gutmenschen im Himmel oder in der Hölle triffst, erzähle ihnen davon. Ich habe dich gezielt in die Irre laufen lassen und falsche Fährten gelegt. Der alte Schatz lag unberührt, zwar eingemauert und verborgen, aber in seiner ganzen Pracht, in dem alten Haus, von dem du mir die Koordinaten gegeben hast. Nun liegt das meiste davon in zwei Schließfächern im Bahnhof von Rouen und wartet auf mich. Alles andere, was ich für wichtig erachtete, habe ich im Interesse der nationalen Sicherheit, auch deines Landes, den
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