Angor - Schatten der Vergangenheit (Kriminalroman)
nachempfinden. Nun aber erst einmal einige Infos zu meiner Person. Bis vor neun Jahren war ich Strafrichter am Obersten Gerichtshof unseres Vereinigten Königreichs. Davor viele Jahre beim Secret Intelligence Service tätig …«
Er räusperte sich:
»In dieser turbulenten Zeit lernte ich einen außergewöhnlichen jungen Mann kennen.
E r wurde zu einem Agenten, den all unsere Dienste nicht allzu oft hervorbringen.
Sein Name ist Jules Winthorp .«
Als Raven den Namen hörte, zuckte er merklich zusammen, er biss sich auf die Lippen.
»Seine letzten Dienstjahre gehörte er einer Geheimorganisation an, die aus Agenten des SIS, meist aus der Sektion 6, der CIA und anderer westlicher Dienste gebildet wurde. Diese Männer waren zu allem bereit und wurden weltweit für abstrakte Guerillaaktionen eingesetzt. Ihre Handlungen überstiegen alle Vorstellungskraft.
Sie hatten im Sinne der Auftragstaktik volle Handlungsfreiheit. Es blieb ihnen in jedem Fall überlassen, auf welche Art sie ihre Aufträge ausführten. Insurrektion, Sabotage, Attentate und Terrorbekämpfung, das war ihr grobes Aufgabenprofil. Weiter führe ich es gar nicht aus, sie können Ihrer Fantasie freien Lauf lassen! Jules ist ein Mysterium, sicherli ch als verrückt zu bezeichnen.
A ber er war ein geradezu fanatischer Kämpfer für unsere freiheitlichen Ideale. Er hat tatsächlich Prinzipien, die er gnadenlos vertritt. Nicht wie bei vielen Menschen nur vorgeschoben und jederzeit veränderlich …«
Malcolm pausierte und schwelgte wohl kurz in Erinnerungen.
»Die von Jules gewählten Mittel würden die meisten Menschen erschrecken und verachten, aber nur so wurde er wirklich effektiv.
Ich möchte sein Verhalten Ihnen gegenüber nicht entschuldigen, aber er wurde nur benutzt. Jules wurde manipuliert und mit falschen Informationen versorgt. Er ist davon überzeugt, dass Sie von Handlungen Ihres Vaters wussten. Jules ist ferner davon überzeugt, dass er einen Kampf für die Gerechtigkeit führt, aber er irrt weitestgehend.
Die Vergangenheit ist nicht mit den Händen zu greifen und in vielen Fällen ohne Wissen schon gar nicht zu verstehen. Sie möchten ja etwas über Ihren Vater erfahren, darüber kann Ihnen mein Begleiter mehr erzählen.«
Raven war sichtlich elektrisiert, er hoffte es so sehr, endlich Antworten zu bekommen.
Mr. Stow begann zu reden:
»Mr. Blackstone, wir sind beide nicht hier, um uns von irgendwelchen Lasten zu befreien oder gar unsere Gewissen zu erleichtern. Wir haben beide den größten Teil unseres Lebens im Geheimen - Fäden gezogen. Wir müssen uns für unser Tun und dem von denen, die unserem Land dienten, mitnichten rechtfertigen.
Nein …«
Raven war verblüfft, dieser äußerlich gebrochene und ungepflegte Mann sprach sehr deutlich und klar. Sein schmuddelig wirkender Jogginganzug, seine wenigen Haare und die braunbefleckte helle Pergamenthaut boten ein abstoßendes Bild. Aber als er zu sprechen anfing, änderte sich alles.
Raven war sogar leicht beschämt, er hatte diese beiden Männer im Geiste verunglimpft.
»… nein, wirklich nicht! Ich bin vorgestern vierundneunzig Jahre alt ge worden, mein Geist ist so klar - wie er mit zwanzig nicht war. Also vergessen sie mal schön Ihren ersten Eindruck. Malcolm ist ja wenigstens seinem Stand entsprechend angezogen. Mich hat er unrasiert und ungewaschen aus dem Pflegeheim entführt.«
Sir John Stow lachte laut auf.
»Ich laufe nur deshalb im Jogginganzug herum, weil ich nicht die Zeit fand, meine persönliche Pflegerin zu rufen, um mich entsprechend ankleiden zu lassen. Malcolm wollte diesen Dienst nicht übernehmen.
Die Zeit drängte ja, leider …«
Seine Worte belustigten ihn, er lachte wieder laut auf. Es dauerte eine kleine Weile, bis er seine Worte wieder fand.
»Äußerlichkeiten sind so belanglos, also befreien Sie sich von diesen ablenkenden Gedanken. Kommen wir zur Sache!
Einige Namen und Details muss ich weglassen, sie sind für Sie auch ohne Belang.
Ich kannte Ihren Vater gut, wir standen uns aber nicht nahe. Dennoch habe ich ihn sehr bewundert, für mich war er ein Held. Im Jahr 1939 trat ich als junger enthusiastischer Mann eine Stelle als Sekretär bei einem hohen Beamten im Außenministerium an.
Dieser war ein Bindeglied zwischen dem Leiter der Special Operations Executive, einer Spezialeinheit und wenigen Eingeweihten der damaligen Regierung. Diese Geheimarmee war dem größten Teil des Parlamentes nicht bekannt. Jene Männer führten während des
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