Angriff auf die Freiheit
Überwachungsbefugnisse vor allem im präventiven Bereich tatsächlich der Verhinderung von Terroranschlägen dienen können, wie es Sicherheitspolitiker gebetsmühlenartig behaupten, ist nie substantiell belegt worden. Trotzdem gilt anscheinend: Augen zu, weitermachen und hoffen, daß das Bundesverfassungsgericht nicht eingreift. Das niedersächsische Polizeigesetz wurde wegen der Einführung präventiver Lauschbefugnisse bereits von den Richtern in Karlsruhe kassiert.
Der wichtigste sicherheitspolitische Zankapfel der letzten Zeit ist die Online-Durchsuchung . Ein erster Versuch, den Internetzugriff auf die Festplatten privater Computer per Gesetz zu ermöglichen, wurde – Überraschung! – vom Bundesverfassungsgericht gekippt. Die nachfolgende Debatte um das neue Lieblingsinstrument der Polizei war von der kokett zur Schau getragenen sachlichen Unkenntnis ihrer Protagonisten gekennzeichnet. Insbesondere BKA-Chef Jörg Ziercke und Innenminister Wolfgang Schäuble ließen keine Gelegenheit aus zu betonen, daß sie entweder nicht wissen oder nicht verraten dürfen, wie das Ausspähen von Computern eigentlich funktionieren soll. Auch in diesem Fall wird auf geheimnisvolle staatliche Experten verwiesen, die aus dem Off die umstrittene technische Machbarkeit bestätigen. Anscheinend gehen diese Experten entgegen aller Erfahrung davon aus, daß sich nichtstaatliche Experten zwar ins Pentagon hacken können, aber nicht in der Lage wären, den Bundestrojaner auszuschalten oder zu pervertieren. In der Praxis würde der Zugriff über das Internet wohl nur bei technisch unversierten Terroristen funktionieren.
Vor allem ist völlig unklar, wozu ein derart einschneidender Grundrechtseingriff überhaupt gut sein soll. Die Polizei kann bereits nach geltender Rechtslage im Rahmen einer Hausdurchsuchung Computer in der Wohnung eines Verdächtigen beschlagnahmen. BKA-Chef Ziercke selbst erklärt gern, daß eine Online-Durchsuchung extrem aufwendig wäre, da sie die Erkundung des (informationstechnischen) Umfeldes der Zielpersonen sowie eine Anpassung der verwendeten Software voraussetze. Deshalb komme sie ohnehin nur in seltenen, sehr konkreten Fällen in Frage (eine Angabe, die angesichts der Praxis des BND, der 2008 in etwa 2500 Fällen ausländische Festplatten durchsuchte, zumindest als nicht ganz präzise gelten muss). Liegt nun aber tatsächlich die konkrete Gefahr eines terroristischen Anschlags vor, wäre es da nicht naheliegender, gleich auf die betreffende Person zuzugreifen – statt nur auf ihren Computer?
Strategisch sinnvoll scheint die Online-Durchsuchung in Wahrheit also nicht bei Vorliegen, sondern nur zur Gewinnung eines konkreten Verdachts. Wer ausgiebig auf Festplatten herumstöbert, wird schon etwas finden. Eine solche »Schleppnetzfahndung« im Internet hat das Bundesverfassungsgericht aber in seinem Urteil vom 27. Februar 2008 verboten. Damit lautet die traurige Nützlichkeitsprognose für die Online-Durchsuchung: Im dramatischen Einzelfall bringt sie nichts; flächendeckend wäre sie verfassungswidrig.
Tagtäglich und überall begleitet uns die Videoüberwachung (im Fachdeutsch CCTV, also Close-Circuit-TV). Es gibt kaum noch öffentliche Räume, in denen wir nicht damit rechnen müßten, von einem Kameraauge verfolgt zu werden. Einkaufszentren, Bahnhöfe, Tiefgaragen, Banken, Autobahnen, Fußgängerzonen, Flughäfen – überall soll Beobachtung für »Sicherheit« sorgen. Nicht alle diese Kameras gehören dem Staat, denn auch im privaten Bereich ist das Überwachen schon lange in Mode. Allerdings verwischen die Grenzen, denn die Polizei kann Zugriff auf privat erstellte Überwachungsbilder nehmen.
Die Forderung nach einer Ausweitung der Videoüberwachung ist ein Dauerbrenner, weil Politiker mit ihr öffentlich und für jeden sichtbar beweisen wollen, daß sie etwas für die Sicherheit der Bürger »tun«. Die Videoüberwachung wird als Allheilmittel gegen Kriminalität im allgemeinen und Terrorismus im besonderen gepriesen, ungeachtet der Tatsache, daß keine unabhängige Studie den Nutzen dieser Maßnahme belegt. Sämtliche unabhängigen Untersuchungen zeigen hingegen, daß das Filmen der Bürger ihre Sicherheit nicht um einen Deut erhöht. Die Kameras führen nur dazu, daß sich »Bahnhofskriminalität« (Taschendiebstahl oder Drogenhandel) um ein paar Meter verlagert. Auch gelingt es vielleicht, unerwünschte Personen wie Obdachlose, biertrinkende Jugendliche, Bettler, Skater und Junkies von
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