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Angriff auf die Freiheit

Angriff auf die Freiheit

Titel: Angriff auf die Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juli Ilija;Zeh Trojanow
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die zur Verfügung stehenden Mittel bleiben dieselben. Vor allem gilt: Je weiter die eingeforderten Mittel vom behaupteten Zweck entfernt sind, desto weniger muß man Verschwörungstheoretiker sein, um sich zu fragen, auf welches Ziel der von Horrorszenarien legitimierte Umbau unserer Gesellschaft eigentlich hinauswill.
    Wie leicht sich Eingriffbefugnisse zweckentfremden lassen, bewies im Oktober 2008 der britische Premier Gordon Brown. Im Zuge der Finanzkrise wendete er Anti-Terror-Gesetze an, um die Konten der isländischen Landesbank einzufrieren. So schnell wird ein Land, das noch nicht einmal eine Armee besitzt, zum Terrorstaat. Genauso schnell kann man einen Bürger bei Bedarf zum Terroristen erklären. In Großbritannien werden Anti-Terror-Gesetze bereits auf Ruhestörer und Verkehrssünder angewendet (dazu mehr im 11. Kapitel).
    Wenn das nächste Mal für eine Erweiterung von Polizeibefugnissen im Anti-Terror-Kampf gestritten wird, achten Sie einmal auf die Argumentationsstrukturen. Es gibt zwei Muster, die sich eigentlich widersprechen, die aber dennoch je nach Sachlage zum Einsatz kommen: Hat die Polizei einen Fahndungserfolg erzielt wie damals bei der Entlarvung der »Sauerland-Terroristen«, so heißt es, der Fall beweise die Notwendigkeit weiterreichender Kompetenzen für die Sicherheitsbehörden – selbst dann, wenn der Erfolg durch den Einsatz von klassischen Polizei- und Geheimdienstmethoden erzielt wurde (etwa durch V-Männer: der Sauerland-Gruppe wurde sogar das Bombenmaterial vom amerikanischen und türkischen Geheimdienst geliefert). Liegt kein derart spektakuläres Beispiel vor, dann beweist gerade die Abwesenheit von Erfolgen, daß die Behörden mehr Befugnisse brauchen. Von einer sachlichen Begründung sind beide Argumentationen weit entfernt.
    Der staatliche Hunger nach Kontrollmöglichkeiten ist noch lange nicht gestillt. Wenn wir uns nicht wehren, gibt es bald eine Zentraldatei mit den Fingerabdrücken sämtlicher EU-Bürger in Brüssel, und an jedem deutschen Flughafen wird ein »Nacktscanner« stehen. Apropos Nacktscanner: Erinnern Sie sich an den empörten Aufschrei unserer Politiker, als der entsprechende Vorschlag aus EU-Kreisen laut wurde? Diese Empörung war nichts als Heuchelei. Der Nacktscanner wird mit Geldern des deutschen Forschungsministeriums entwickelt. Dort wird untersucht, ob die verwendeten Röntgenstrahlen gesundheitsschädlich sind. Nicht aber, auf welche Weise uns dieses Gerät vor dem Terrorismus schützen soll.

    Anmerkungen zu diesem Kapitel

Sechstes Kapitel: Wer kann in die Zukunft sehen?
    Im Mittelpunkt des Science-fiction-Films Minority Report steht eine Behörde namens Pre-Crime . Sie betreibt Verbrechensbekämpfung auf die einzig logische und sinnvolle Art, wenn man »Sicherheit« endgültig zum obersten Staatsziel erhoben hat: nicht durch die Aufklärung, sondern durch die Verhinderung von Delikten.
    Wer heute eine Straftat aufklären will, ermittelt in die Vergangenheit. Er konzentriert sich auf ein konkretes Geschehen und auf jene konkreten Personen, von denen er vermutet, daß sie es herbeigeführt haben. Wer sich hingegen auf Prävention spezialisiert, muß in die Zukunft blicken. Pre-Crime verfügt deshalb über Pre-Cogs , nämlich Hellseher oder Medien, deren Voraussagen einen Täter überführen, noch ehe er zum Täter wird. Die Ermittler von Pre-Crime haben die Aufgabe, den Täter zu verhaften, bevor er die Tat begeht. Ein scheinbar perfektes System, bis der führende Ermittler selbst in Verdacht gerät.
    Bislang planen unsere Behörden weder den Einsatz von Kristallkugeln noch von Tarotkarten, um die Sicherheit im Land zu gewährleisten. Aber sie streben zunehmend nach Prävention. Eigentlich verstanden wir in unserem Rechtsstaat unter Verbrechensbekämpfung die Jagd nach Verbrechern, also nach Menschen, die ein Delikt schon begangen hatten. Traditionelle Kriminalitätsprävention konzentrierte sich vor allem auf soziale Aspekte, zum Beispiel auf möglichst weitreichende Bildung, auf Städteplanung, Familienpolitik, die Vermeidung von Existenznöten und auf eine funktionierende Kultur der Konfliktbewältigung ohne das Eingreifen staatlicher Autorität.
    Seit der »Terrorismus« ins Zentrum der Sicherheitspolitik gerückt ist, verlagert sich der Schwerpunkt der Verbrechensbekämpfung ins Vorfeld der Tat. Gesucht werden Verdächtige, die ein Delikt planen . Dies ergibt sich zum Teil aus der Natur des Terrorismus. Zum einen hat Strafverfolgung bei

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