Angriff Aus Dem Netz
River. In der Anstalt werden jugendliche Straftäter bis siebzehn Jahre untergebracht.
Wie fast jede andere Jugendstrafanstalt – Jugendknast genannt – ist auch Recton sehr bemüht, den Insassen eine sichere Umgebung zu bieten, in der sie sich so wenig wie möglich wie in einem Gefängnis fühlen sollen.
Der hohe Sicherheitszaun rings um das Gelände ist unauffällig und manchmal überhaupt nicht zu sehen, weil er an vielen Stellen von hohen Ahorn-oder Birkenbäumen verborgen wird, die man auf beiden Seiten des Zauns angepflanzt hatte.
Innerhalb des Zauns täuscht ein weiß gestrichener Lattenzaun eine ländliche Idylle vor – weniger idyllisch sind die Bewegungsmelder und Wärmesensoren, die im Zaun installiert sind. Ein scharfäugiger Beobachter würde ferner bemerken, dass die Spitzen der Zaunlatten keineswegs aus Holz, sondern aus weiß gestrichenem Metall sind und dass sie weit schärfere Spitzen haben, als man bei einem normalen Lattenzaun eigentlich erwarten würde. Und dass der Zaun mit seinen knapp 10 Metern Höhe doch ein bisschen höher ist als ein normaler Lattenzaun, jedenfalls gerade hoch genug, um zu verhindern, dass jemand ohne eine gewisse Anstrengung und ohne aufzufallen, darübersteigen konnte. Über diesen Zaun müsste man schon klettern oder mit Anlauf flanken. Und ein ähnlich unschuldig wirkender Zaun umgibt auch das gesamte Gelände, auf dem die Insassen, die übrigens »Gäste« genannt werden, frei herumlaufen dürfen.
Jeder Quadratzentimeter Boden, der zwischen dem Lattenzaun und dem äußeren Metallzaun mit dem NATO-Draht liegt, wird von Kameras und Bewegungsmeldern überwacht. Zwar gibt es jede Menge blinde Flecken zwischen den Bäumen, aber in dem drei Meter breiten, nur mit Gras bewachsenen Streifen auf beiden Seiten des äußeren Zauns gibt es keinen einzigen Quadratzentimeter Boden, der nicht überwacht wird.
Tatsächlich gibt es nur einen einzigen Weg, um aus Recton Hall herauszukommen. Er führt durch den sogenannten Käfig, der Teil des Verwaltungsgebäudes ist. An der Außenseite des Gebäudes befinden sich große Metalltüren; im Innern eine verstärkte Flügeltür. Zwischen der äußeren und der inneren Tür befindet sich der erwähnte Käfig, ein schlauchförmiger Raum oder eine Art Schleuse, die alle Besucher, Angestellten und Lieferwagen passieren müssen und in der sie kontrolliert werden, bevor man ihnen den Zutritt oder die Ausfahrt erlaubt.
Der Käfig befindet sich im Erdgeschoss des Verwaltungsblocks, wo auch der Empfang der neuen Inhaftierten und die Reservatenkammer untergebracht sind. Hier befinden sich ferner ein Zugang zur Laderampe und das Schulsekretariat. Der erste Stock enthält Verwaltungsbüros, Lagerräume und das Waffenlager, ferner den Aufenthaltsraum der Gefängniswärter und eine Toilette mit Waschgelegenheiten.
Der zweite Stock ist gewissermaßen der Wachturm, denn dort befindet sich das Kontrollzentrum, das Herz von Recton Hall, von dem aus alles überwacht wird – was die Inhaftierten treiben und welche Besucher kommen und gehen.
Die Zellen und die Klassenzimmer sind in mehreren separaten Gebäuden untergebracht, die sich über das gesamte weiträumige Areal verteilen.
Recton Hall wird von seinen Gästen auch »Abwrackpalast« oder schlicht »Rektum« genannt. Es beherbergt allerdings weder Gang-Mitglieder noch Drogendealer, Kiffer, Spielsüchtige oder gar Mörder. In der allgemeinen Hierarchie von Jugendverwahranstalten ist Recton Hall sozusagen ein Internat der Luxusklasse. Hierher werden jugendliche Kriminelle geschickt, die sich so »sauberer« Vergehen wie Betrug, Hehlerei, Spionage oder Cyberkriminalität schuldig gemacht haben.
Die meisten Leute sind überrascht, wenn sie erfahren, dass der größte Anteil der Jugendlichen nicht Betrugsdelikte begangen, sondern Spionage betrieben hat. Meistens handelt es sich um Industriespionage, außerdem ein paar Fälle von Militär-oder Regierungsspionage. Häufig sind die Eltern der Jugendlichen in höheren und wichtigen Positionen tätig; für skrupellose Agenten von konkurrierenden Unternehmen oder ausländischen Mächten bilden sie lohnende Ziele, um durch sie den Vater oder die Mutter ausspionieren zu lassen.
Allerdings sind in Recton Hall auch einige »normale« Verbrecher interniert, die Söhne von Eltern, die mächtig oder reich genug sind, um alle möglichen politischen Strippen zu ziehen und ihre Söhne in eine »sichere« Einrichtung wie Recton verlegen zu lassen – weit weg von
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