Angriff der Killerkekse. Unglaubliche Reportagen und atemlose Geschichten (German Edition)
ist wieder frei. Endlich!
Wunderwelt der Stadtnatur
Berlin. Langer Tag der Stadtnatur. Zwei Tage und Nächte lang kann der Metropolenmensch das um ihn herum wuchernde Grün aus Perspektiven erkunden, die ihm sonst verschlossen sind. Die »Garten-Guerilla« zeigt Grasmöbel im Mauerpark, Tomaten auf Baumscheiben und Blumen auf der Müllbrache. Kundige Kräuterhexen erläutern orientalische Gärten. Vom Abriss bedrohte Kleingartenkolonien locken Unterstützer mit Kaffee und Kuchen. Eine Yoga-Gruppe lädt zum Schattenboxen in den Ernst-Thälmann-Park, und in »Mariannes Gartenparadies« zeigt eine schöne Gärtnerin sich und ihr Biotop. Grasgrün schimmert der Tag und alles ist voll öko. Die grüne Lunge der Millionenstadt liefert Natur pur.
Kein echter Städter geht unvorbereitet in die freie Natur. Zu groß sind die Gefahren, die zwischen Baum und Borke lauern. Planung ist alles, und ich staffiere mich sachgerecht aus: Tropenhelm, Safarihose und Tausend-Meilen-Hemd gehören ebenso zu einer Expedition in den städtischen Dschungel wie Schmetterlingsnetz, Botanisiertrommel, Feldstecher, Lupe, Kompass, Taschenmesser, Schlafsack, Minizelt und Sonnencreme Faktor 50. In einem Überlebensrucksack wird eine Notration plus Wasserflasche und Reiseapotheke verstaut. Nichts wird dem Zufall überlassen. Derart vorbereitet verlasse ich den schützenden Kokon meines Heims und fahre hinaus in die Wildnis. Mütterchen Natur kann zickig sein.
Mein erster Ausflug führt mich in Batmans Welt. »Hören Fledermäuse Mozart« fragt der Veranstalter und verspricht mir die Antwort in den Katakomben einer alten Zitadelle. Ich steige hinab in das Teufelsgewölbe, pfeife freundlich ein paar Takte Mozart, und da kommen sie schon von allen Seiten. Mit Mozart scheinen die Kellerkinder allerdings wenig im Sinn zu haben. Jäh und unvermittelt greifen sie mich aus dem Dunkeln an. Hunderte kleine Blutsauger flattern um mich herum und beschießen mich mit Fledermauskot. Es sind fliegende Vampire! Erschrocken schlage ich um mich, doch sie treffen mich mit enormer Zielsicherheit und sauen meine Montur ein. Um die aufgebrachten Säuger zu beruhigen, intoniere ich aus Mozarts »Zauberflöte« Taminos Arie »Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sonst bin ich verloren!«. Doch niemand eilt mir zur Hilfe. Entkräftet von der unerwarteten Attacke der fliegenden Ungeheuer stolpere ich aus dem modrigen Gemäuer empor ans Licht. Natur kann angriffslustig sein!
Besudelt sinke ich auf eine Ruhebank und erhole mich langsam von dem Schrecken. Ein mumifizierter Schokoriegel aus den Tiefen meines Rucksacks bringt verbrauchte Energie sofort zurück. Ich reinige mein Hemd von der in der Sonne trocknenden Batman-Kacke und beschließe beherzt einen weiteren Ausflug in die Tierwelt. Der Programmpunkt »Schöne wilde Tiere einmal ganz nah erleben« klingt harmlos, und ich wage es. Am Eingang einer begehbaren Voliere begrüßt mich ein handzahmer Turmfalke. Ich erhalte eine Schwanzfeder als Willkommensgruß und stecke sie mir als Trophäe an den Helm. Schon beginnt ein naturkundlicher Vortrag seines Hüters. Der nimmersatte Vogel verschlingt täglich mehrere Küken und verspeist auch andere Kleintiere. Ach, sieht der Kleine putzig aus! Als der Falke zur Seite schaut, streichele ich ihn sanft wie einen Plüschbären. Der Kopf des Jägers ruckt herum. Seine riesigen Augen fixieren Beute. Faszinierend, das entzückende Tierchen hat wohl eine Maus entdeckt! Doch da spüre ich einen stechenden Schmerz in meiner Hand. AUA!!! Das Monster hat mit seinem scharfen Schnabel voll in meinen Zeigefinger gehackt. BLÖDES VIEH, Ich bin doch kein Lebendfutter! Hätten Sie gedacht, dass es fünf Minuten dauern kann, bis ein kleiner Turmfalke seine Beute wieder aus seinen Fängen entlässt? Mit einem riesigen Druckverband um meinen zerfleischten Finger verlasse ich fluchend die Käfiganlage. Ich hätte mir vor meinem Ausflug eine Tetanus-Auffrischungsspritze holen sollen. Natur kann böse, böse, böse sein!
Der Abend wirft seine dunklen Schatten voraus, und ich bin bei einer Nachtwanderung angemeldet. Jetzt wird es höchste Zeit, um rechtzeitig vor Ort zu sein! Auf dem Weg zum Treffpunkt, einem Forsthaus im finsteren Wald, durchstreife ich das weitläufige Gehölz. Nach einigen Stunden Wanderzeit muss ich mir indes eingestehen, gründlich die Orientierung verloren zu haben. Jetzt ist es völlig dunkel, und ich meine auch, an dieser oder jener Schneise bereits einmal vorbei
Weitere Kostenlose Bücher