Angriff der Killerkekse. Unglaubliche Reportagen und atemlose Geschichten (German Edition)
vermeintlicher Sachkenntnis. In Wirklichkeit schaut er nur umher, welchen wildfremden Leuten er sich präsentiert, bis ihn die Kommandos der Befehlshaberin in die Gegenwart rufen: »Abgelehnt!«
Schulze verzweifelt. Er schwingt sich in die nächste Hose. Diesmal greift er flink und schlau gleich zu einer Größe, die passen müsste. Der Stoff der Hosenbeine kratzt und scheuert unangenehm an seinem Körper. Im Bund kann er noch eine Handbreit Bauch zusätzlich unterbringen. Zu groß ausgefallen! »Ich hole sie dir eine Nummer kleiner.« Die Göttergattin eilt davon. Der Kandidat klebt derweil in der Kabine und entledigt sich schon mal der Übergröße, die er schwungvoll über die Käfigtür wirft. In Socken scharrt er unruhig auf dem Bodenbelag und späht ins Freie. Zu spät bemerkt er, bereits eine Weile auf seinen eigenen Kleidungsstücken herumzutrampeln, die von dem winzigen Hocker gerutscht waren.
Schulze faucht. Sein Weib dreht ihn nach links und rechts, lässt ihn einige Schritte gehen und wieder zurückkommen. Oh doch, diese Hose sitzt keinesfalls zu eng, beteuert er, sie könne unbesorgt erworben werden. Und falls sich der Erwerb wider Erwarten als Fehlkauf erweisen sollte, könne sie das gute Stück doch wieder zurückgeben. Sie geht in die Knie, sie zieht an den Beinen, sie greift ihn in den Schritt, sie wirkt unzufrieden. »Die Hose zippelt,« lautet ihr vernichtendes Urteil. Zurück in die Kammer!
Schulze hofft. Beim nächsten Höschen vom Probierstapel handelt es sich um ein dünnes Material, das ihm, der ständig schwitzt, sommerliche Leichtigkeit suggeriert. Das wäre doch was. Diese Sommerhose scheint auch für mediterrane Gefilde ideal, meint er motivierend, als er seiner Pflegerin unter die Augen tritt. Die richtet ihr kritisches Augenmerk unter die Gürtellinie und lehnt entschieden ab, die Hose wirke unanständig. Jeder sähe sofort, dass er »Linksträger« sei. »Ab ins Kabuff!«
Schulz lächelt. Im stillen Kämmerlein fällt ihm Michel de Montaigne ein, der vierhundert Jahre zuvor in seinem Essay »Über die Gewohnheit« schrieb: »Ich würde bei unseren Hosen jene so nutzlose wie prahlerische Nachmodellierung eines Glieds, das wir anständigerweise nicht einmal benennen dürfen und mit dem, derart zur Schau gestellt, wir dennoch öffentlich herumstolzieren, zur Abschaffung vorschlagen.« – Merci, Michel, du hast es auf den Punkt gebracht! Die Gewohnheit ist die mächtigste Herrin über alle Dinge, sinniert der Hosenkäufer, der ungern den Clown geben möchte.
Schulze glüht. Inzwischen ist er klatschnass geschwitzt und hat die Orientierung in der Welt der Hosen verloren. Er weiß kaum, ob er bereits acht, zehn, zwölf oder vierundzwanzig Beinkleider getestet hat. Emsig läuft sein Lebensglück die Regalreihen entlang und schleppt neue Hosen herbei. Auch der Verkäufer wird von ihr zur Unterstützung eingesetzt. So regnet es immer neue Beinkleider in anderen Schnitten, Farben und Größen in die Hosenprobierzelle. Drinnen kocht säuerlich der gequälte Proband.
Schulze kapituliert. Ergeben in sein Schicksal zuckt er noch einmal kurz, als er vergleichsweise eine Hose anziehen soll, die er bereits Stunden zuvor versucht hatte. Völlig hilflos reagiert er endlich auf die Frage, ob er sich für Nummer Drei, Sieben oder Elf entscheide. Er kann keine Unterschiede festmachen und sucht in den wortreichen Erläuterungen seiner Helferin zu erkennen, was sie bevorzugt, um sie darin wie ein Chamäleon zu unterstützen. Ob er die Hose jemals anzieht, die sie ihm schön redet, steht auf einem anderen Blatt. Hauptsache, frische Luft! Der Verkäufer schreibt ein Billet und sichert seine Provision.
Schulze schluckt. Er steht an der Kasse, er hat es geschafft. Drei Hosen werden verladen. Er zückt seine Kreditkarte, so wird ihm beim Zahlen der Preis kaum bewusst. Dafür darf er die voluminöse Tüte mit dem lautstark aufgedruckten Firmenlogo zum Fahrzeug schleppen. Raus hier!
Schulze stolpert. Er schnellt an den Hemden zum verführerischen Angebotspreis und den farblich abgestimmten Krawatten vorbei. Die Glastüren zur dampfenden Straße schwingen auf. Der kahl geschorene Wachmann mit dem traurigen Terrierblick lässt ihn ziehen. Kein Alarm bremst den Auszug des erschöpften Kunden.
Schulze wankt. Aus dem Geschäft taumelt er in den Mahlstrom der Strasse. Draußen streckt ihm ein orange gekleideter Bettelmönch eine leere Schale entgegen.
Schulze jubelt: Er
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