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Angst

Titel: Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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nicht ausmachen. War es etwa eine Schlange, die über den Sand glitt, eine Schlange, die so schwer war, dass sie ein schleppendes Geräusch verursachte, während sie sich Ruth näherte? Es musste eine Schlange sein, die sich auf sie zubewegte, sie konnte sie nur nicht sehen, konnte ihr weder aus dem Weg gehen noch sich verstecken. Vielleicht war es eine von diesen südamerikanischen Boas, dick wie ein Baumstumpf, gewaltig und geschmeidig, womöglich sechs Meter lang, die da gemächlich auf sie zuglitt. Gleich würde das Tier seinen riesigen Körper um seine Beute schlingen und zudrücken ...
    Ruth riss den Kompass aus der Tasche und schleuderte ihn so weit wie möglich von sich weg. Sie hörte, wie er dumpf auf dem Sandsteinboden aufschlug.
    Das Geräusch verebbte. Erneut umgab sie absolute Stille.
    Sie musste sich zusammenreißen. Ihre Fantasie ging völlig mit ihr durch.
    Du bist in einem komplizierten, sich verzweigenden Höhlensystem, tief in einem Berg, nicht mehr und nicht weniger!
    Vielleicht war sie jetzt im Zentrum des Labyrinths -schlimme Dinge konnten sich inmitten eines Labyrinths ereignen, Dinge, die man nicht erwartete, Dinge, die einem den Kopf zu Brei schlugen, Dinge ... Sie war in der Stille verloren, sie würde hier sterben.
    Ruth konzentrierte sich darauf, langsam und tief zu atmen, die wohltuende frische Luft, gemischt mit diesem seltsamen süßen Geruch, einzusaugen. Vergeblich versuchte sie, die absurden Bilder auszublenden, die sich in ihrem Kopf bildeten und sie in Furcht und Schrecken versetzten. Sie konnte nichts Greifbares, nichts Reales finden, um sich daran festzuklammern. Nackte Angst tanzte durch ihren Körper. »Hör auf, dich wie dein Vater zu benehmen! Und zwar sofort!«, schrie sie in die Dunkelheit hinein. Erleichtert stellte sie fest, dass ihre eigene Stimme sie beruhigte und es ihr allmählich gelang, ihre Panik niederzukämpfen. Sie musste lediglich dem schnurgeraden Maßband folgen. Es war aus Metall, verdammt noch mal, und konnte sie nicht im Kreis herumführen! Sie würde ihm folgen und irgendwo landen, denn es musste ein Irgendwo geben. Ihr wie wahnsinnig rasender Puls verlangsamte sich, der Atem wurde flacher. Sie beugte sich hinunter und faltete die Karte auf dem Boden aus, während sie die Taschenlampe darauf richtete.
    Das einzig wirklich Verrückte hier war diese verfluchte, irreführende Karte. Schließlich hatte sich der Durchgang zur Kammer nicht dort befunden, wo er auf der Karte eingezeichnet war. Das Loch - natürlich! Sie musste den falschen Durchgang gewählt haben. Hätte sie die Suche nicht so schnell aufgegeben, wäre sie womöglich nur wenige Schritte entfernt auf den Eingang gestoßen, der auf der Karte markiert war, und wäre in die richtige Kammer gekrochen. Vielleicht handelte es sich bei der Karte aber auch um eine Falle.
    Aber die frische Luft, woher kam sie?
    Wo war hier eine Wand?
    Ruth spürte, wie ihr Kopf zu hämmern begann und Speichel in ihrem trockenen Mund zusammenlief. Dann hörte sie aus ihrem tiefsten Innern einen Schrei in sich aufsteigen. In diesem Moment glaubte sie, dass sie sterben würde. Leicht taumelnd stand sie auf und lauschte. Sie wollte dieses Geräusch hören, wollte darauf zugehen. Dort musste etwas Lebendiges sein, und sie wollte es finden. Es war keine Riesenschlange. Nein, dieser Gedanke war lächerlich! Oh Gott, gleich würde ihr Kopf explodieren. Der Schmerz zwang sie beinahe in die Knie. Sie griff sich mit beiden Händen an die Schläfen. Ihre Finger sanken in ihren Schädel, in ihr Gehirn, dessen klebrige graue Masse pulsierte. Sie kreischte laut. Ihre Schreie wollten nicht aufhören, schossen aus ihr heraus, immer lauter und lauter, während das
    Echo zurückgeworfen wurde, durch ihr nasses Gehirn, das zwischen ihren Fingern hervorquoll. Mit aller Kraft gelang es ihr, die Finger aus dem Kopf zu ziehen, doch sie fühlten sich feucht an, und verzweifelt versuchte Ruth, sie an ihrer Jeans abzuwischen, sie zu säubern - vergebens. Sie weinte, aber ihr Hals war wie zugeschnürt, und kein Laut entrang sich ihrer Kehle. Dann brachen die Schreie jedoch wieder mit roher Gewalt aus ihr hervor, durchdrangen die Stille. Lieber Gott, bitte hilf mir! Sie wollte nicht sterben. Sie begann zu rennen, stolperte, fiel hin, raffte sich wieder auf. Es war ihr egal, ob sie gegen eine Wand prallen würde. Ja, sie wollte es sogar.
    Aber da war keine Wand.

KAPITEL 2
    Hooter’s Motel Pumis City, Maryland Früher Samstagmorgen
    Wer waren diese

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