Angst im Paradies
mir in den letzten zwei Jahren widerfahren war. Eine einzige überstürzte Entscheidung hatte mir zwei Jahre Hölle beschert. Wenn ich auf Liz gehört hätte, hätte ich mir das alles ersparen können. Allerdings gäbe es dann auch Lamin nicht und dieser Gedanke versetzte mir einen Stich. Lamin wollte ich nicht mehr missen. Er konnte schließlich nichts für den miesen Charakter seines Vaters. Den traditionellen, silbernen Armreif von Modou, den Lamin getragen hatte, hatte ich schon in Gambia entfernt. Zum Glück hatte ich durch vehementen Protest verhindern können, dass man meinen Sohn mit Jujus behängt hatte. Er hatte nie etwas Derartiges am Leib gehabt. Ich war den Jujus gegenüber von Anfang an negativ eingestellt. Für mich war klar, dass hier nicht gute, sondern böse Kräfte wirkten und obwohl ich nicht besonders religiös war, wollte ich mein Kind von solchen Einflüssen fernhalten. Doch jetzt waren Lamin und ich frei und konnten leben, wo und wie wir wollten. Es würde nicht leicht sein, für Lamin und mich zu sorgen. Aber für die erste Zeit hatte ich noch Geld auf der Bank und ich konnte mir in Ruhe überlegen, wie ich Job und Kind unter einen Hut bringen konnte. Eigentlich wollte ich ihn ungern jetzt schon in einen Kinderhort geben, doch früher oder später würde ich wohl nicht drum herum kommen. Morgen würde ich erst mal nach Hastings fahren und versuchen, Liz anzutreffen, dann musste ich die Sache mit der Bank klären, da Modou ja meine Karte einbehalten hatte, und nach einer kleinen Wohnung suchen. Für ein paar Tage konnte ich sicherlich bei Liz unterkommen, bis ich etwas gefunden hatte. Ein paar Möbel und Kleidungsstücke würden auch noch auf die Rechnung kommen. Ich besaß ja buchstäblich nur das, was ich bei der Landung auf dem Leibe getragen hatte. Nun, zumindest würde ich eine Weile auf Waschmaschine und Kühlschrank verzichten können. Eines der wenigen guten Dinge, die ich in den letzten zwei Jahren gelernt hatte, war die Fähigkeit, ohne jeglichen Komfort auskommen zu können.
*
Es war ein komisches Gefühl, die Straßen von Hastings entlang zu gehen und zu sehen, dass sich in den letzten zwei Jahren praktisch nichts verändert hatte. Es war, als wäre ich nie weg gewesen. Ich ging auf den Pier, um mir den Seewind um die Nase wehen zu lassen. Es war so kalt, dass ich instinktiv den neu eingekleideten Lamin fester an mich drückte. Ich hatte eine dicke Hose, Socken, einen warmen Pullover, eine Jacke und eine Mütze für ihn bei dem Second Hand Geschäft gekauft. Jedenfalls machte er auf mich nicht den Eindruck, dass er frieren würde. Dennoch war die Umstellung vom sonnigen Afrika zu den feuchtkalten Temperaturen in England nicht so leicht. Gerade hier an der Küste wehte ein kalter Wind, doch ich genoss die Frische, die in der Luft lag. In Gambia hatte ich manchmal geglaubt, nie wieder richtig durchatmen zu können. Die Luftfeuchtigkeit in der Regenzeit und die trockene Hitze der Trockenzeit waren mir auf Dauer zu belastend gewesen. Selbst wenn es gera wenn esde heftig geregnet hatte, fehlte die für Europa typische Frische. Die Luft in Europa war eben doch ganz anders, als in Afrika. Ich konnte mir gut vorstellen, dass es Afrikanern hier in Europa ebenso erging. Jeder war eben doch mit seiner Heimat mehr verbunden, als man sich dass manchmal dachte. Ich hatte früher immer gedacht, dass es schön sein müsse, in einem warmen Land zu leben, nie mehr zu frieren. Aber es war nicht so. Zumindest bei mir nicht und ich war mir sicher, dass meine schlimmen Erfahrungen mit Modou nicht so viel Gewicht dabei gehabt hatten, dass ich Heimweh nach Europa bekommen hatte. Es hatte diesen Prozess höchstens ein wenig beschleunigt. Vor meiner Abreise aus Gambia hatte Susanne mir gestanden, dass sie mich darum beneidete, nach England zurückzugehen. Tom war jedoch ein absoluter Sonnenfanatiker und konnte es gar nicht heiß genug haben. Solche musste es natürlich auch geben, dachte ich. Ich jedenfalls freute mich über die saftig grünen Wiesen. Auch wenn die Baobabs in Gambia mich fasziniert hatten und Palmen im Urlaub ganz schön waren, auf Dauer konnten sie die europäische Landschaft nicht ersetzen.
Lamin fing an zu quengeln und so kehrte ich dem Meer den Rücken und verließ den Pier. Ich wollte den Weg zu Liz Haus zu Fuß gehen, auch wenn es eine viertel Stunde Weg mit Lamin auf dem Arm bedeutete. Ich wollte einfach die vertraute Gegend genießen.
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Ich schaute zu der Wohnung im
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