Angst im Paradies
irgendeiner Stelle etwas besser machen können, was unsere Beziehung gerettet hätte? Doch der Gedanke an Binta stellte mir die brutale Realität wieder vor Augen. Den Mann, den ich geliebt hatte, hatte es nie gegeben. Es war nur eine Maske gewesen, ein Mittel, mich einzufangen. All die zärtlichen Momente waren eine Lüge gewesen, nichts als eine funkelnde, prächtige Seifenblase, die keinen Bestand hatte und zerplatzte, wenn sie irgendwo anstieß. Es hatte keinen Sinn, etwas hinterherzutrauern, was nie existiert hatte. Ich musste nach vorne schauen. Mein Sohn war jetzt das Wichtigste in meinem Leben und für ihn musste ich mein Leben in Ordnung bringen. Vielleicht war es ratsam, mich so einer Selbsthilfegruppe für misshandelte Frauen anzuschließen. Susanne hatte mir diskret diesen Tipp gegeben und je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr fand ich die Vorstellung, andere Frauen kennenzulernen, die Ähnliches erlebt hatten, irgendwie aufbauend. Ich begann, zu begreifen, dass ich es al"lein nie schaffen würde, das Ganze wirklich gut zu verarbeiten und mein Leben in den Griff zu bekommen.
Die Stewardess riss mich aus meinen Gedanken.
„Bitte schnallen sie sich an. Wir landen gleich“, informierte die freundliche junge Frau mit einem Lächeln.
„Ach! Sind wir schon da?“, fragte ich ungläubig. Ich hatte gar nicht bemerkt, wie die Zeit vergangen war. Waren es tatsächlich schon neun Stunden?
„Ja. Schauen sie raus. Das ist schon England, was sie da sehen.“
Ich schaute aus dem Fenster und erblickte eine Ansammlung winziger Häuser.
Die Stewardess half mir, den Gurt für Lamin anzulegen und als wir sicher angeschnallt waren, ging sie weiter.
Ich spürte, wie das Flugzeug eine andere Neigung einnahm und mir wurde etwas flau im Magen. Der Landeanflug hatte begonnen. In Kürze würde ich wieder europäischen Boden unter den Füßen haben. Sicher würde es kalt sein nach der Hitze Afrikas. Ich hatte für Lamin eine Decke von Susanne bekommen, ich selbst einen Pullover, den ich mir über meine Bluse ziehen konnte. Für heute wollte ich mir ein Zimmer in London nehmen und morgen dann nach Hastings weiter fahren. Ich hoffte, dass Liz noch unter ihrer alten Adresse zu erreichen war. Da sie als Krankenschwester arbeitete, hatte sie Schichtdienst und somit konnte es gut sein, dass sie zu Hause anzutreffen war. Sollte das nicht der Fall sein, musste ich es auf ihrer Arbeitsstelle versuchen.
Das Flugzeug setzte auf der Landebahn auf und nach ein paar sanften Hüpfern rollte das Flugzeug ruhig über die Bahn. Einige Passagiere applaudierten der geglückten Landung und der Kapitän bedankte sich über Funk bei seinen Passagieren und wünschte ihnen einen angenehmen Aufenthalt in London. Ich verließ den Flieger als eine der Letzten, weil ich mich mit Lamin nicht in das Gedränge und Geschiebe begeben wollte.
*
Da ich keinen Koffer hatte, sondern nur den Rucksack und die Decke, was ich beides als Handgepäck mit an Bord genommen hatte, musste ich nicht wie die anderen Passagiere auf Gepäck warten. So war ich ruckzuck durch die Kontrolle und draußen. Es war kühl und diesig, halt typisches Londoner Wetter. Lamin hatte ich in die Decke gewickelt und mir selbst den Pullover übergezogen. Trotzdem wollte ich nicht länger, als notwendig in der feuchten Kälte bleiben und so ging ich auf den ersten Wagen in der Reihe der wartenden Taxis zu und stieg ein. Ich kannte eine kleine Pension und nannte dem Fahrer die Adresse. In der Nähe der Pension gab es auch ein Second Hand Geschäft für Kindersachen. Dort konnte ich Lamin wettergerecht einkleiden.
Ich hatte Glück und in der Pension war noch ein Zimmer frei. Es war einfach eingerichtet, doch gab es für Lamin ein altes Gitterbett, die Bettwäsche war frisch und duftig und ein funktionierender Fernseher versprach etwas Ablenkung. Das Bad war klein und altmodin und alsch aber nach der langen Abstinenz von normalen Sanitäranlagen kam es mir wie ein Luxusbad vor. Nachdem ich Lamin gestillt und ins Bett gelegt hatte, ließ ich mir ein Schaumbad ein. Als ich mich in das warme Wasser gleiten ließ, seufzte ich laut und schloss vor Verzückung die Augen. Wie lange hatte ich den dekadenten Luxus eines heißen Schaumbades entbehren müssen. Es war himmlisch! Ich hatte das Wasser sehr heiß gemacht und meine Haut war gerötet wie bei einem Hummer, den man in kochendes Wasser geschmissen hatte. Doch ich genoss es und es gab mir das Gefühl, alles abwaschen zu können, was
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