Angst im Paradies
scheinbar gerade Schulschluss hatten. Die Kinder entdeckten uns in dem Auto und winkten. Ich winkte zurück. Dann kamen wir an einen Polizei-Checkpoint, von denen gab es einige entlang der Strecke. Wir hatten schon zwei hinter uns.
Modou hielt an und ein Polizist trat an unseren Wagen. Er grüßte freundlich und ich grüßte ihn lächelnd zurück. Modou musste seine Papiere vorzeigen.
„Kann ich ihre ID-Card auch sehen, Madam?“
Ich holte meine ID-Card aus meinem Rucksack und reichte sie dem Officer. Er gab sie mit einem Nicken zurück.
„Wünsche noch eine gute Fahrt!“
Als wir weiter fuhren, fragte ich: „Wozu sind hier so viele Polizeikontrollen?“
„Das ist wegen der Casamance. Das ist eine Region im Senegal. Diese Straße verläuft parallel nicht weit von der Grenze. Im Casamance wird Ganja angebaut und über die Grenze nach Gambia geschmuggelt. Von unserem Dorf aus hört man manchmal die Geschosse, wenn die senegalesische Armee gegen die Rebellen vorgeht, die im Casamance ihr Unwesen treiben.“
„Wow! Da ist Krieg, meinst du?“
„Naja, nicht direkt Krieg. Ich würde es eher Unruhen nennen. Nicht wie in Sierra Leone oder so. Es war schon mal schlimmer, aber es sind nicht mehr so viele Rebellen übrig.“
Modou bemerkte mein Unbehagen.
„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Die Unruhen beschränken sich nur auf Casamance. In Gambia ist es sicher“, fügte er beruhigend hinzu.
Nach einer ganzen Weile bogen wir von der Hauptroute ab und die Fahrt wurde noch abenteuerlicher. Die Straße, wenn man sie denn so nennen wollte, war voller Löcher und Hügel und stellenweise war der Sand sehr tief. An manchen Stellen war die Straße nicht viel breiter, als unser Auto. Wir kamen an einer Wasserstelle vorbei und ich bewunderte die Wasservögel und ein paar Schweine, die hierher zum Trinken gekommen waren.
„Wie weit ist es noch?“, fragte ich aufgeregt.
„Wir sind in ein paar Minuten da.“
Endlich erreichten wir Butubu. Kinder strömten aus allen Winkeln und umschwärmten unser Auto. Wir passierten eine kleine Moschee und einen Dorfbrunnen, dann endlich hielt Modou den Wagen an und stellte den Motor ab.
„Da wären wir. Willkommen in Butubu.“
Wir stiegen aus dem Auto und im Nu konnte ich mich vor Kindern nicht mehr retten.
„Toubob! Toubob! Gib mir Minti!“, riefen sie im Chor und ich holte die Tüte Bonbons, die ich wohlweislich mitgebracht hatte, aus meiner Tasche, dann verteilte ich die Bonbons an die rotznäsigen Kleinen mit den großen Kulleraugen.
Ein kleiner, vielleicht dreijähriger Junge, versteckte das Bonbon, das ich ihm gegeben hatte hinter dem Rücken und streckte erneut die Hand aus. Ich musste lachen und gab ihm noch einen Bonbon. Doch bald war die Tüte leer und ich schaute entschuldigend in die Runde.
„Sorry, ist alle!“
Ich hielt zur Demonstration die leere Tüte hoch.
„Komm!“, sagte Modou und nahm mich beim Arm. „Wir sollten meinen Vater nicht länger warten lassen.“
Wir betraten den Compound seiner Familie. Frauen waren mit Wäsche waschen und kochen beschäftigt, sie hielten in ihrer Arbeit inne, um uns anzuschauen.
„Somoloo lay?“, grüßte Modou.
Wie geht es der Familie?
„Ee beh kaira toe”, antworteten die Frauen.
Es geht ihnen gut .
„Kairala?“, fragte eine der Frauen.
Wie ist der Morgen?
„Kaira dorong“, antwortete Modou. „Dimbaya lay?“
Alles ist gut. Wie geht es den Kindern?
„Ee beh kaira toe”, antwortete die Frau.
Es geht ihnen gut .
„Dies ist meine Frau Julia“, stellte er mich nun auf Englisch vor. „Julia, dies ist meine Stiefmutter Sona.“
„Guten Tag“, grüßte ich und lächelte ein wenig verlegen.
„Guten Tag. Willkommen.“
Modou stellte mich auch den anderen Frauen vor, ebenso einigen älteren Kindern.
„Wo ist dein Vater?“, fragte ich leise.
„Im Haus. Wir werden gleich reingehen. Dort wirst du auch meine Großmutter kennenlernen.“
Es gab einen lang gestreckten, zweigeschossigen Bau und vier weitere Häuser sowie ein paar Schuppen auf dem Grundstück. Ich sah, dass auch ein eigener Brunnen vorhanden war. Neben all den Frauen und Kindern unterschiedlichsten Alters wimmelte es auf dem Grundstück auch vor Hühnern, Hunden, Katzen, Ziegen und Eseln. Als wir uns dem großen Haus näherten, trat gerade eine Ziege aus der Tür heraus und ich musste mir ein Lachen verkneifen. Tiere waren hier wirklich überall. Pingelig durfte man da nicht sein.
*
Im Haus war es dämmrig. Die
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