Angst im Paradies
Fenster waren mit bunten Vorhängen verhängt, um die Hitze abzuschirmen. Eine gewaltige Couch mit riesigen Sesseln prunkte in dem etwas tiefer gelegenen Wohnraum. Man musste vom Eingang drei Stufen hinuntergehen. Auf einer kitschigen Schrankwand in asiatischem Stil stand unzähliger, noch kitschigerer Schnickschnack und als Prunkstück, ein großer Flachbildfernseher und ein DVD-Player. Auf der Couch saß ein Mann, den ich vorsichtig auf fünfundsechzig schätzte. In einem der riesigen Sessel saß eine alte Frau von enormen Ausmaßen. Sie hatte ein Baby im Arm, das selig schlief.
Etwas eingeschüchtert folgte ich Modou die Treppen hinab zu seinem Vater. Dieser erhob sich und gab mir bei der Begrüßung eine große, knochige Hand. Im Gegensatz zu der massigen Großmutter war Mohammed Manneh ein hagerer Mann. Seine Augen waren ein wenig trüb und ich registrierte die Brille mit den dicken Gläsern, die auf dem Tisch lag. Modou stellte uns einander vor, dann begrüßten wir die Großmutter, Aminata und das kleine Bündel, welches sich als Modous neue Schwester Loli erwies.
Ich fand den Gedanken ein wenig befremdlich, sich vorzustellen, wie dieser alte, halbblinde Mann einer jungen Frau ein Kind machte. Schon genug, dass er überhaupt mehrere Frauen hatte. Doch eine Stunde später, als wir alle zusammen Tee getrunken hatten, fand ich Modous Vater eigentlich ganz nett. Er war intelligent und sprach gut englisch. Aminata verstand nur Mandinka und so konnte ich mich nicht mit der alten Frau unterhalten.
Im Laufe des Tages hatte man mir so viele Männer, Frauen und Kinder vorgestellt, dass mir der Kopf vor Namen und Gesichtern nur so schwirrte. Wie sollte ich mir all diese Leute je merken?
Der nächste Schreck kam mit dem Essen. Man verteilte mehrere große Schüsseln und um jede Schüssel scharrten sich einige Familienmitglieder und aßen zusammen mit Löffeln, einige sogar mit den Händen, aus der Schüssel. Männer aßen von den Frauen getrennt. Es war wirklich ein Kulturschock für mich und ich ekelte mich, mit anderen, noch dazu fremden Menschen aus einem Napf zu fressen, wie ein Hund. Doch man drückte mir einfach einen Löffel in die Hand und forderte mich auf, zu essen.
Ich versuchte, ganz vom Rand zu essen und niemandem in die Quere zu kommen. Das Essen war sehr scharf und mir brannte der Mund. Modou saß etwas weiter weg mit ein paar jungen Männern, teilweise Brüder, te {&uuarfilweise Schwager oder Cousins. Er war in einer Unterhaltung vertieft und nahm von meiner Not keine Notiz. Nach dem Essen wurden Eimer mit Wasser rumgereicht, wo man sich die Hände waschen konnte. Ich spürte, wie sich meine Blase meldete und ich fragte mich, was für eine Überraschung mir bezüglich der sanitären Anlagen wohl blühen möge.
Es war noch schlimmer, als erwartet. Nachdem ich es geschafft hatte, diskret Modous Aufmerksamkeit zu erlangen, hatte ich ihn nach der Toilette gefragt. Er hatte mich zu einem kleinen Schuppen geführt, der sowohl Toilette, als auch Badehaus war. Die Toilette bestand aus einem Loch im Boden. Mehr nicht! In einer Ecke standen zwei Eimer mit Wasser, jeweils mit einem Becher darin. Toilettenpapier gab es nicht.
„Na super“, murmelte ich und rümpfte die Nase.
Meine Freude über den Familienbesuch hatte einen gehörigen Dämpfer erhalten. Zwar war ich freundlich empfangen worden, doch die Zustände hier waren für einen verwöhnten Europäer arg gewöhnungsbedürftig.
*
Zumindest hatten wir ein eigenes Bett für uns allein! Das war nicht so selbstverständlich, wie man meinen könnte. In manchen gambianischen Betten schliefen teilweise fünf Personen zusammen. Viele lagen auch einfach nur auf einem Stück Pappe oder einem Tuch auf dem Boden. Doch zum Glück verfügte Modou über ein eigenes Schlafzimmer mit einem richtigen Bett mit Baldachin und Moskitonetz. Ich rekelte mich auf dem Laken, das frisch gewaschen duftete, und streckte meine Glieder.
„Du bist bestimmt sehr müde“, meinte Modou und strich mir eine vorwitzige Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Ja, es war ein anstrengender Tag und so viele Leute. Ich glaube, ich werde nie alle Namen behalten können.“
Ich überlegte, wie viel ich ihm von meinen Eindrücken erzählen sollte. Würde er mich verstehen oder wäre er sauer, wenn ich ihm erzählte, wie furchtbar ich es hier fand? Es lag bestimmt nicht an den Menschen. Alle hatten mich äußerst freundlich begrüßt und ich war ganz vernarrt in die kleine Loli und hatte sie
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