Angst im Paradies
ich bekam noch immer eine Gänsehaut, wenn ich an den dicken, recht kurzen Leib dachte. Noch schlimmer war der Anblick des Kopfes gewesen. Noch nie hatte ich so lange Giftzähne zu Gesicht bekommen. Die Puffotter hatte extrem lange Fänge. Obwohl es hier und dort im hohen Gras neben dem Weg raschelte, bekam ich keine Schlange und auch sonst kein Tier zu sehen.
Als ich die Hütte erreichte, war der Mond fast vollständig hinter den Wolken hervorgekommen. Ich steckte den Schlüssel in das Schloss und hörte eine Bewegung im Inneren der Hütte. Ich war so aufgeregt, dass ich es erst beim vierten Mal schaffte, das Schloss zu öffnen. Ich schwang die Tür auf und stand Binta gegenüber, die mir weinend in die Arme fiel. Der kleine Lamin wachte auf und quengelte ein wenig, doch er schlief sofort wieder ein.
„Ich hatte solche Angst, dass man dich erwischen würde“, gestand Binta unter Tränen. „Ich habe die ganze Zeit wach gelegen und zu Allah gefleht, dass er dich beschützen möge. Hast du deine Papiere bekommen?“
„Ja, ich habe sogar deinen Pass“, antwortete ich. „Hast du deine Sachen gepackt?“
Binta verschwand im Inneren der Hütte und kam mit einem Bündel zurück, welches sie sich auf den Kopf setzte, als wir ins Freie traten.
„Wir müssen die Tür wieder verschließen, als wenn nichts gewesen ist“, sagte ich und verriegelte die Tür wieder. „Du nimmst die Lampe und gehst vor. Ich kenne ja den Weg nicht.“
Binta nahm die Taschenlampe entgegen und wir verließen den Platz auf einem anderen Pfad als dem, auf dem ich gekommen war.
*
Das Haus, in dem Bintas Kinder sich aufhielten, war etwas abseits gelegen, doch es gab ein Problem. – Die Hunde! Binta und ich standen in einiger Entfernung im Schutz einiger Bäume und überlegten, wie wir mit diesem Problem umgehen sollten. Dann sah ich, dass eine kleine Gestalt aus dem Haus kam und zu der etwas abseits gelegenen Toilette ging.
„Das ist Modou“, sagte Binta aufgeregt. „Mein Ältester. Er ist elf.“
„Bist du dir sicher?“, flüsterte ich ebenso erregt.
„Ja, ganz sicher.“
Als der Junge wieder aus der Toilette kam, machte Binta ein Geräusch, das klang wie ein tiefes Pfeifen. Der Junge schaute sich um und kam dann in unsere Richtung gelaufen. Binta machte noch einmal dieses Geräusch, aber leiser diesmal. Als er dicht genug war, sprach Binta ihn an.
„Modou. Ich bins“, flüsterte sie und der Junge rannte die letzten Meter und warf sich in ihre Arme. Mutter und Sohn weinten und lachten gleichzeitig. Dann ließ Binta ihren Sohn los und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht.
„Modou. Kannst du Baboucar und Mariama wecken und dafür sorgen, dass sie mit dir hier herkommen? Wir wollen nach Brikama und von dort irgendwo hin, wo wir in Frieden leben können.“
„Was ist das für ein Toubob?, fragte der Junge in Mandinka.
„Ich bin deine Stiefmutter“, antwortete ich und der Junge schaute mich so erschrocken an, dass ich leise lachen musste und auch Binta kicherte.
„Du wirst später alles erfahren“, versprach Binta. „Jetzt müssen wir uns beeilen, dass wir so weit wie möglich kommen, bevor es hell wird. „Geh und hole deine Geschwister und gib acht, dass man eure Flucht nicht bemerkt.“
Der Junge nickte, dann rannte er zurück. Bange Minuten verstrichen und wir waren so nervös, dass wir unruhig im Dunkel hin und her gingen. Nach etwa einer viertel Stunde sahen wir endlich drei kleine Gestalten aus dem Haus huschen und auf die Stelle zulaufen, wo wir uns versteckt hielten.
*
Mit den Kindern kamen wir deutlich langsamer voran, besonders die fünfjährige Mariama war müde und hatte keine Lust, zu laufen. Nachdem die erste Aufregung um das Wiedersehen mit ihrer Mutter verflogen war, fing sie an, zu quengeln. Binta nahm ihre Tochter eine Weile auf den Rücken, doch sie war zu schwach und Mariama schon zu schwer. Nachdem die Kleine eine Weile wieder ganz gut gelaufen war, fing sie über Schmerzen in den Füßen zu klagen an. Ich gab den mittlerweile erwachten Lamin an Binta und nahm Mariama auf meinen Rücken. So setzten wir eine Weile weiter, meist schweigend, unseren Weg fort.
Als Lamin zu quengeln begann, legten wir eine kurze Rast ein, damit ich ihn stillen und wickeln konnte. Mariama schlief auf dem Schoß ihrer Mutter ein. Modou und Baboucar saßen gegen einen Baum gelehnt und dösten vor sich hin.
„Wie weit ist es von hier bis zur Hauptstraße?“, wollte ich wissen.
„Eine viertel Stunde“,
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