Angst im Paradies
Ich dumme Kuh habe dich vollkommen mit den Neuigkeiten überrannt! Ich hätte es dir etwas schonender beibringen sollen“, machte sich Awa selbst Vorwürfe.
Ich schüttelte den Kopf.
„Nein! Ist schon gut.“ Mein Herz klopfte bis zum Hals. Vielleicht war jetzt meine Chance gekommen. Wenn er im Koma lag, konnte er mich nicht aufhalten. Wenn ich eine Chance hatte, zu fliehen – dann jetzt!
Kapitel 30
A m nächsten Tag schlich ich mich allein zu Bintas Hütte. Ich vertraute niemanden wirklich zu hundert Prozent, weder Awa noch Fatou, dass sie meine Fluchtpläne nicht vielleicht vereiteln würden. Awa und Fatou waren zwar meine Freundinnen, doch sie gehörten auch zu Modous Familie, und wenn sie von meinen Plänen wüssten, wären sie automatisch mitten in einem Loyalitätskonflikt. Das wollte ich nicht.
Die Hütte kam in Sicht. Alles sah normal aus, niemand, außer natürlich Binta selbst, schien da zu sein. Die Luft war rein. Ich wusste, das Sona ihren Besuch bei Binta schon absolviert hatte und normalerweise heute nicht mehr kommen würde. Trotzdem war ich sehr vorsichtig, als ich auf die Hütte zuging, und schaute mich immer wieder verstohlen um.
Ich tastete nach dem versteckten Schlüssel, fand ihn und öffnete das Schloss. Vorsichtig öffnete ich die Tür. Mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Was, wenn Binta nicht mitkommen wollte? Oder wenn ihre Flucht schief ging. Ich hatte noch keine Ahnung, wohin Binta gehen sollte. Sollte ich sie mit nach England nehmen? Und was war mit den Kindern? Aber es wäre eine Schande, eine solche Gelegenheit zur Flucht ungenützt verstreichen zu lassen. Binta hatte ein Leben in Freiheit verdient, und wenn es möglich war, mit ihren Kindern zusammen. Modou würde sicher ausrasten, wenn er irgendwann davon erfuhr, dass seine beiden Frauen und alle seine Kinder verschwunden waren. Es war wichtig, dass auch Binta irgendwo war, wo sie in Sicherheit war. Und noch etwas kam mir in den Sinn, das meinen Entschluss, Binta zu befreien noch verstärkte. Wenn Modou von meiner Flucht erfuhr, würde Binta es sicher noch schwerer haben, als einzige Frau, die noch blieb.
Binta lag auf dem Bett und schlief. Leise verschloss ich die Tür und ging in dem schummerigen Licht, das durch die winzigen Fenster fiel, zu der auf dem Boden liegenden Matratze. Ich bückte mich und schüttelte die schlafende Frau vorsichtig.
„Binta? Binta, ich bins. Julia!“
Binta regte sich und schlug die Augen auf. Sie brauchte einen Moment, um zu sich zu kommen, dann setzte sie sich ruckartig auf und starrte mich erschrocken an.
„Ist was passiert?“
„Ja! Modou hatte einen Unfall und liegt im Koma. Ich werde fliehen und ich will, dass du mit mir kommst!“
Binta schüttelte den Kopf und rieb sich die Augen, als wäre sie sich nicht sicher, ob sie nicht eine Fata Morgana sah oder einen Geist.
„Was? – Was sagst du da? Ich verstehe nicht. Du willst ...“, sagte Binta ungläubig. „Erzähl mir das Mal der Reihe nach.“
Ich setzte mich neben Binta auf die Matratze und erzählte, was ich von Awa erfahren hatte und dass ich vorhatte, zum Kombo zu fliehen und dort einen Flug zu organisieren, um zurück nach England zu fliegen.
„... ich könnte dich mitnehmen. Was ist mit deinen Kindern? Weißt du, wo die sind?“
Binta brauchte eine Weile, ehe sie antwortete.
„Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, ich weiß, wo sie sind.“
„Wenn wir nachts fliehen würden, könnten wir den Ort, wo die Kinder sind, erreichen, sie entführen und von dort bei Morgengrauen irgendwo den ersten Bus erwischen, der nach Brikama fährt?“
Binta überlegte eine Weile, dann nickte sie.
„Wir bräuchten von hier etwa zwei Stunden zu Fuß. –Wenn wir um zwei Uhr hier losgingen, würden wir um vier Uhr dort sein. Es ist nicht weit, bis zur Hauptstraße, doch das wär zu auffällig und zu früh, dort den Bus zu nehmen. Man würde bemerken, dass die Kinder weg sind und uns noch an der Hauptstraße erwischen. – Wir müssten also noch etwa eineinhalb Stunden laufen und dann auf die Hauptstraße kommen, um dort einen der ersten Busse abzufangen. – Es wär möglich! Ich habe in Brikama sehr gute Freunde, die könnten mir weiter helfen. Ich dürfte natürlich nicht in Gambia bleiben. Vielleicht könnte ich von Brikama aus nach Sierra Leone, Guinea Bissau oder Mali fahren. Senegal ist zu nah, da würden sie mich finden.“
Ich war ganz aufgeregt. Das war schon ein richtiger Plan. Wir feilten das
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