Angst im Paradies
schloss die Tür, damit niemand, der zufällig auf dem Flur erschien, bemerkte, dass was nicht stimmte. Als Erstes schaute ich in die beiden Nachtschränke, doch dort war nichts. Nur ein paar Abschriften einzelner Koransuren und eine Gebetskette sowie eine Wasserpfeife. In dem kleinen Schrank waren verschiedene Papiere, Heftchen und zwei Bücher in arabischer Schrift, doch auch hier waren die gesuchten Papiere nicht.
Ich wurde langsam nervös. Was, wenn ich die Papiere nicht fand? Ich hörte ein Grunzen vom Bett und blieb atemlos auf dem Boden hocken. Mein Herz raste und ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Der alte Mann hatte sich auf den Rücken gedreht und fing leise an zu schnarchen. Auf allen Vieren kroch ich zu den Kisten, Eimern und Kartons. Nach einigem Suchen fand ich ein paar Pässe. Aufgeregt schaute ich die Papiere durch. Alles, was ich fand, war der Pass von Binta. Ich steckte den Pass in meinen Rucksack und suchte weiter. Schließlich fand ich in einem anderen Karton, was ich suchte. In einem Umschlag steckten alle meine Papiere und auch die Geburtsunterlagen von Lamin. Schnell verstaute ich alles in dem Rucksack und verließ leise das Zimmer. Gerade, als ich wieder in meinem Schlafzimmer war, hörte ich, wie jemand den Flur entlang ging. Eine vertraute Stimme summte ein Lied. Es war Sona, da war ich mir sicher. Was sollte ich nun tun? Es war an der Zeit, das Haus zu verlassen, doch wenn Sona draußen herumschlich? Mein größtes Problem war Lamin. Ich allein konnte mich unbemerkt vorbei schleichen, aber wenn Lamin aufwachte und Laute von sich gab? Kurzentschlossen ging ich zu dem einzigen Fenster und schaute hinaus. Es war nicht tief. Wenn ich hier rauskletterte, war ich in wenigen Schritten bei der Mauer und einige Meter weiter war ein schmaler Durchgang, der nur mit ein paar Stöcken blockiert war. Die konnte ich geräuschlos entfernen, das war viel leiser, als das Metalltor aufzumachen. Ich ging zurück zu Lamins Bett und holte ihn vorsichtig heraus. Mit geübten Handgriffen hatte ich ihn schnell auf meinen Rücken gesetzt und mit einem Tuch befestigt, wie ich es von Awa gelernt hatte. Der Junge war nicht aufgewacht. Normalerweise hatte er einen festen Schlaf. Ich schnappte den Rucksack und wasrf ihn vorsichtig aus dem Fenster. Das leise Geräusch, das erklang, als er auf den Boden prallte, klang in meinen Ohren wie ein Kanonenschlag und ich lauschte aufgeregt, ob sich irgendwo wegen des Lärms jemand regte, doch alles blieb ruhig. Mir selbst Mut zusprechen kletterte ich durch das Fenster nach draußen. Es war noch leichter, als ich gedacht hatte, da der Boden vor meinem Fenster etwas erhöht war und ich so problemlos aussteigen konnte. Nach dem ich mir den Rucksack geschnappt hatte, schlich ich zu der Mauer.
Es war recht dunkel, da der Mond hinter dichten Wolken versteckt war und so musste ich mich an der Mauer entlang tasten, um den Durchgang zu finden. Ich räumte die Stöcke beiseite und schlüpfte hindurch. Auf dem Weg war es ebenso finster, aber ich kannte den Verlauf des Weges sehr gut und so ging ich langsam, aber sicheren Schrittes bis zu der Stelle, wo ich die Abzweigung vermutete. Ich blieb stehen, fummelte meine Taschenlampe aus dem Rucksack und schaltete sie ein. Nachdem ich mir über meine Lage ein Bild gemacht hatte und wusste, dass ich nur noch wenige Schritte, bis zur Abzweigung hatte, schaltete ich die Lampe wieder aus. Ich fand meinen Weg weiterhin ohne Licht, und als ich an Fatous Compound kam, blieb ich kurz zögernd stehen. Ich würde die Freundin vermissen. Leise seufzend ging ich weiter. In der Ferne bellte ein Hund und ein anderer, ganz in der Nähe, antwortete. Mit klopfendem Herzen ging ich weiter.
Der Mond kam ein wenig zum Vorschein und ich konnte jetzt die Bäume und das Gestrüpp schemenhaft erkennen. Sobald ich das Dorf hinter mir gelassen hatte, schaltete ich meine Lampe wieder ein. Nun brauchte ich das Licht, denn der Weg war sehr gewunden und es gab Schlangen, wie die Puffotter, die hier nachts unterwegs waren. Ich wollte einen Zusammenstoß mit dem gefährlichen Tier vermeiden. Die schwarze Kobra, die es hier ebenfalls gab, war tagaktiv. Vor ihr hatte ich nun, im Dunklen, nichts zu befürchten. Wie ich wusste, war die Puffotter für die meisten tödlichen Unfälle mit Schlangen in Westafrika verantwortlich. Modou hatte einmal eine auf dem Compound getötet, als er nachts zum Klo ging. Am nächsten Morgen hatte ich die geköpfte Schlange gezeigt bekommen und
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