Angst im Paradies
antwortete Binta.
„Ich schlage vor, dass wir noch etwa eine halbe Stunde hier bleiben, dann gehen wir zur Hauptstraße. Es müssten bald die ersten Gelegele unterwegs sein. Deine Tochter kann ein wenig Schlaf gebrauchen und im Gelegele kann sie weiter schlafen.“
„Einverstanden“, stimmte Binta zu. „Ich bin auch langsam ganz schön müde. – Du nicht?“
„Nein. Ich bin zu aufgeregt“, bekannte ich. „Ich kann es noch immer nicht glauben, dass wir es tatsächlich geschafft haben!“
„Freu dich nicht zu früh. Noch haben wir es nicht geschafft. Wenn wir erst mal im Gelegele sitzen, werde ich mich besser fühlen, noch besser, wenn wir in Brikama sind und noch viel besser, wenn ich Gambia verlassen habe.“
„Ich verstehe, was du meinst. Geht mir auch so. Aber wir haben das Schlimmste schon hinter uns. Ich habe mir meine Papiere zurückgeholt, bin unbemerkt zu dir, gemeinsam haben wir es geschafft, deine Kinder zu befreien und nun sind wir bald an der Hauptstraße. Ich finde, das ist schon eine riesen Sache.“
*
Es war wirklich nicht mehr weit, bis zur Hauptstraße. Bis zum Sonnenaufgang würde es noch etwas dauern. In der Ferne sah ich Autoscheinwerfer, die schnell näher kamen.
„Da kommt schon was. Hoffentlich ist es ein Gelegele“, meinte ich.
Binta schaltete die Taschenlampe ein, hielt den Strahl aber auf den Boden gerichtet. Das Licht sollte nur dazu dienen, auf die kleine Reisegesellschaft aufmerksam zu machen. Als das Gefährt näher kam, streckte Binta die Hand aus, um dem Fahrer zu signalisieren, dass wir mitfahren wollten. Die Scheinw. Die Scerfer blinkten zwei Mal auf, was bedeutete, dass der Gelegele voll war.
„So ein Mist!“, fluchte ich. „Was ist, wenn die alle voll sind?“
„Jetzt verlier nicht den Mut“, beruhigte Binta. „Wir werden schon noch einen Platz bekommen. Da kommt noch einer.“
Tatsächlich waren erneut Scheinwerfer in der Ferne zu erkennen, doch als es näher kam, entpuppte es sich als ein stark überladener LKW. Eine Weile tat sich nichts und ich wurde langsam nervös. Doch dann kamen gleich zwei Fahrzeuge hintereinander. Der Erste signalisierte wieder durch Lichthupe, dass er voll war, das zweite Gefährt war ein Pick-up der Polizei.
Nun wurde auch Binta langsam unruhig. Es begann schon, langsam hell am Horizont zu werden. Doch beim nächsten Bus hatten wir endlich Glück und er hielt an. Der Abrante, so nannte man den Helfer, der das Geld kassierte und Gepäck auf dem Dach verstaute, öffnete die Tür und wir stiegen mit den Kindern ins Innere. Es war eng und dunkel. Nachdem wir unsere Plätze eingenommen hatten, setzte sich der Gelegele in Bewegung. Ich spürte, wie eine große Erleichterung in mir aufstieg. Ich drückte den kleinen Lamin an mich und schloss die Augen. Tränen rannen meine Wangen hinunter.
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Kapitel 32
I n Brikama war das Leben schon voll im Gange. Die „Garage“, wie man den Busbahnhof nannte, war groß. So viele Gelegele, Vans und normale Taxis auf einem Haufen hatte ich noch nicht gesehen. Von hier aus fuhren auch die Busse nach Mali, Senegal, Mauretanien, Guinea Bissau, Burkina Faso und Sierra Leone. Wir kauften als erstes Pencha für die Kinder und Wasser. Dann setzten wir uns zum Essen an die Seite und beobachteten das bunte Treiben von Verkäufern, die von Gelegele zu Gelegele gingen, um Wasser, Eis, Pencha, Brot, Schmuck und anderes Zeug an den Mann oder die Frau zu bringen. Abrante, die auf der Suche nach Kundschaft ihr Reiseziel ausriefen und Reisende, die, mit teilweise abenteuerlichem Gepäck, zwischen rangierenden Bussen, geparkten Gelegele und Verkäufern hindurchmanövrierten. Manche trugen gefesselte Hühner in Plastiktüten mit sich oder zogen eine Ziege oder ein Schaf am Strick hinter sich her. Frauen balancierten unglaubliche Ladungen auf ihren Köpfen.
„Wo wohnen deine Freunde?“, wollte ich wissen.
„Nicht weit von hier. Wir können den Weg in zehn Minuten laufen.“
„Dann lass uns aufbrechen.“
*
Ich schaute gedankenverloren aus dem Fenster des Buschtaxis, das Lamin und mich zum Turntable bringen sollte. Binta und ihre Kinder waren erst einmal bei Freunden in Sicherheit. Noch heute Abend sollt en sie mit dem Gelegele nach Guinea Bissau reisen, wo sie, so hoffte ich wenigstens, ein Leben in Frieden und Freiheit führen konnten. Binta hatte eine Tante in Guinea Bissau, wusste aber nicht genau, wo die wohnte. Julia hoffte für die arme Frau, dass sie ihre Tante
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