Angst in der 9a
gehabt.
Tarzan lehnte sein Rad an einen badewannengroßen Blumenkübel. Sichern konnte er es im Augenblick nicht. Der Gedanke bereitete ihm Unbehagen. Er nahm sich vor, durch die Fenster des Restaurants zu spähen, um sein Rad im Auge zu behalten.
An einem silbergrauen Ferrari ging er vorbei.
Auf der anderen Seite des Blumenkübels stand Seibolds Motorrad.
Also war der Kerl noch hier!
Tarzan trat in die Fattoria.
Um diese Zeit herrschte wenig Betrieb. Zwei gelangweilte Kellner standen herum.Im Hintergrund speiste eine Familie mit drei kleinen Kindern an einem Tisch in der Nische.
An der hufeisenförmigen Bar hatten sich zwei Gäste niedergelassen. Sie saßen mit dem Rücken zur Tür.
Der eine war King Seibold, der andere ein elegant gekleideter, dunkelhaariger Typ. Er trug einen cremefarbenen Anzug aus Rohseide, helle Schuhe und einen blauenKrawattenschal, über den sich im Nacken das Haar kringelte.
Beide tranken Wein und wurden von einem blonden Mädchen bedient, das hinter der Bar stand.
Eben sagte sie: »Noch eine Flasche Lugana, Herr Borrello? Oder lieber den anderen?«
»Wir trinken Lugana«, erwiderte der Dunkelhaarige. Seine Stimme kratzte etwas, als hätte er Halsweh. Borrello?
Tarzan stand wie angewurzelt.
Doch nicht etwa der Mann von der Mübo? Wahrscheinlich doch. Denn Borrello war ein seltener Name – zumindest hier in der Stadt.
Wenn er’s ist, dachte Tarzan bestürzt, was hat er dann mit diesem Rocker zu schaffen?
Die Kellner hatten Tarzan bemerkt. Auch die Blonde sah ihn, war aber mit dem Öffnen der Flasche beschäftigt.
Borrello und Seibold merkten nicht, dass jemand hinter ihnen stand.
Der Italiener zog die Hand aus der Seitentasche. Zwei große Geldscheine hielt er zwischen den Fingern.
Deutlich sah Tarzan, dass es sich um 500-DM-Noten handelte.
Er steckte sie dem Rocker in die Hand.
Borrello sagte: »Bis jetzt hast du deine Sache gut gemacht. Und wo die beiden Lappen herkommen, da sind noch mehr. Also bleib am Ball, mein Freund.«
»Klar«, erwiderte Seibold. »Ich fingere das. Bald ist sie weich.«
In diesem Moment spürten beide, dass sie beobachtet wurden – aber nur, weil die Blonde an ihnen vorbeiblickte. Borrello wandte den Kopf.
Er sah gut aus, hatte ein markantes Profil, blitzende Zähne und eine Andeutung von Tränensäcken unter den Augen. Aber das nur ganz wenig. Die Augen freilich gefielenTarzan überhaupt nicht. Sie wirkten kalt wie schwarzes Glas.
Seibold drehte sich um.
Er und Tarzan starrten sich einen Augenblick an. Seibold sperrte den Mund auf.
»Erkennst du mich?«, fragte Tarzan. »Und freust dich wohl riesig, mich zu sehen, wie?«
Seibold schloss den Mund und griff an seinen Ohrring, der – obwohl der Kerl den Kopf ganz ruhig hielt – heftig schaukelte.
»Sieh mal zum Fenster raus!«, sagte Tarzan.
»Was? Wozu? Was willst du? Wer bist du überhaupt?« »Das weißt du doch, du dreckiger Dieb! Sieh mal raus.
Dort beim Blumenkübel. Kennst du das Rennrad?« Seibolds Kopf ruckte herum.
Alle konnten durchs Fenster das Rad sehen.
»Da staunst du, was?«, sagte Tarzan. »Eben hat es die Polizei aus deiner Garage geholt. Jetzt suchen sie dich. Dein Vater ist bereits festgenommen. Wegen Mittäterschaft. Ich hätte große Lust, dir dein albernes Halsband samt Abzeichen ins Maul zu stopfen. Aber nicht mal die Mühe bist du wert. Dich anrühren, hieße, sich die Hände schmutzig machen.«
Das war ein harter Hammer, eine schwere Beleidigung. Aber Seibold schien sie gar nicht zu hören.
Er war käsebleich geworden. Er schluckte.
Auch Borrello reagierte in einer Weise, die Tarzan nicht erwartet hatte.
Schreck weitete die Augen des Italieners. Er wirkte betroffen und zerrte an seinem Schal.
Seibold rutschte vom Hocker.
Jetzt greift er mich an, dachte Tarzan. Dann kriegt er eine verpasst, an die er sein Lebtag noch denken wird.
Aber Seibold stürmte an ihm vorbei.
»Muss schnell telefonieren«, raunte er Borrello zu.
Dann verschwand er hinter einer Tür, die offenbar nicht nur zu den Toiletten, sondern auch zum Telefon führte. Borrello hatte sich gefangen.
Er griff nach seinem Glas, schnupperte daran und trank einen Schluck. Seine Hand war ganz ruhig.
»Wer bist du?«, fragte er Tarzan.
»Das wird Ihnen dieser Strolch gleich erzählen. Aber wer sind Sie? Ihren Namen habe ich schon gehört. Sind Sie der Mann von Frau Müller-Borrello?«
Wachsamkeit blitzte in den Augen des Italieners auf. »Und wenn?«
»Dann ist Ihre Frau viel zu schade
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