Angst ist dein Tod - Ephron, H: Angst ist dein Tod - Come and Find Me
Ein Piepton ertönte, als er den Zündschlüssel einsteckte. Er sah sie von der Seite an. »Schnallen Sie sich bitte an.«
An die Sicherheitsgurte hatte sie gar nicht mehr gedacht. Daniel hatte es immer toll gefunden, dass New Hampshire der letzte Bundesstaat ohne Anschnallpflicht war. »Lebe frei oder stirb« war das Motto der Leute dort. Sie schnallte sich an.
Langsam setzte sich der Wagen in Bewegung. »Waren Sie schon immer so?«
Diana lachte bellend auf. »Wie, so ? Sie meinen diese Angst vor dem eigenen Schatten?«
Gruder zuckte mit den Schultern. »Meine Schwägerin hat Panikattacken. So nennt man das doch, oder?«
Diana nickte. »O nein, ich war nicht immer so.«
Als Kind kannte Diana keine Grenzen, wäre niemals auf die Idee gekommen, sich hinter Zäunen zu verstecken. Sie war immer über die Straße gerannt, ohne die Erlaubnis ihrer Mutter abzuwarten, war mit dem Fahrrad immer viel weiter gefahren, als ihre Mutter erlaubt hatte. Sie war ganz wild darauf gewesen, Auto fahren zu lernen, hatte sich den Wagen genommen, noch bevor sie ihren Führerschein hatte, und war nach Cape Cod gefahren, um die Rede von Sandra Day O’Connor auf der Abschlussfeier der Barnstable High School zu hören.
Sie war immer so ehrgeizig gewesen, oder hatte sich jedenfalls dafür gehalten, dass sie beschloss, in die Politik zu gehen. Dann wurde ihre Mutter krank, woran sie zerbrach. Daniel hatte sie wieder aufgerichtet.
Während der Fahrt im Streifenwagen durch die Stadt versuchte Diana, sich auf das zu konzentrieren, was sie sah, auf die Straßen, die ihr gleichermaßen vertraut und fremd schienen. Das Kino hatte dichtgemacht. Das Café an der Ecke hatte einen neuen Namen. Der Laden, in dem vor Jahren Kinderbücher verkauft worden waren, stand immer noch leer. Sie fuhren durch Wohnstraßen, an Häusern und Wohnblocks vorbei, die sich kaum voneinander unterschieden.
Einem Hinweisschild zum Bootshafen an der Mündung des Neponset folgend, bog Gruder ab. Am Ende der Straße kamen sie an die Einfahrt zur Wharf View, dem massiven, aus zwei Türmen bestehenden Wohnkomplex, in dem Ashley lebte. Gruder fuhr hinein.
»Was für ein Auto fährt Ihre Schwester?«, wollte Gruder wissen.
Sie beschrieb es ihm.
»Dürfte nicht schwer zu finden sein. Sie suchen rechts, ich links.«
Im Schritttempo fuhr er über den Parkplatz, die eine Durchfahrt rauf und die andere wieder hinunter. Die meisten Plätze waren leer. Es war nicht schwer herauszufinden, dass Ashleys Wagen nicht da war.
»Es gibt auch noch eine Tiefgarage«, erklärte ihm Diana.
Gruder fand die Einfahrt und fuhr die Rampe hinab, aus dem Sonnenlicht heraus ins Dunkel. Diana riss sich zusammen, versuchte, nicht zusammenzuzucken, als sie die Stahlträger so dicht über sich hinweggleiten sah, dass sie schon glaubte, sie würden das Dach des Streifenwagens abreißen. Sie konzentrierte sich auf die wenigen abgestellten Autos, die an ihr vorbeizugleiten schienen.
Von einem goldfarbenen Mini Cooper keine Spur.
Sie fuhren aus der Tiefgarage wieder hinaus ins Helle. Diana bemerkte, dass sie die ganze Zeit den Atem angehalten hatte, und atmete auf, als Gruder den Wagen auf dem leeren Besucherparkplatz gegenüber vom Haupteingang des Hochhauses abstellte. Sie stiegen aus.
Ein scharfer Wind blies vom Fluss her. Der Kälte trotzend, hielt Diana mit Ashleys Notebook unter dem Arm fröstelnd auf den Eingang zu. Über den Glas-Doppeltüren waren Überwachungskameras installiert. Sie zählte acht Etagen hinauf bis zu dem Stockwerk, in dem Ashley ihre Wohnung hatte. An einem der Fenster stand jemand und sah hinaus.
Diana beschleunigte ihren Schritt, und Gruder musste sich beeilen, um sie zu überholen und ihr die Tür aufzuhalten. Sie ging hinein und stand in der vertrauten Eingangshalle. Ein Philodendron wucherte vor einer von hinten beleuchteten Wand aus Glasbausteinen. Ein Schwall warmer Luft umfing sie, der sofort beruhigend auf sie wirkte.
Auf dem Weg zu den Aufzügen blieb sie vor einer Briefkastenzeile stehen. Jeder der Messingkästen hatte ein kleines Fensterchen. Sie suchte die Nummer 88 N und spähte in das dunkle Innere. Gruder zog eine Taschenlampe von seinem Gürtel und leuchtete durch die Schlitze in der Metalltür hinein, um Dianas ersten Eindruck zu bestätigen. Leer. In den meisten anderen Briefkästen schien Post zu stecken. Ashley musste zurückgekommen sein und die Post abgeholt haben, redete sich Diana ein.
»Der Aufzug ist da«, rief Gruder ihr zu und hielt die
Weitere Kostenlose Bücher