Angst - Kilborn, J: Angst - Afraid
verbrennen, du Scheißköter!«, ehe Woof seine Zähne in der Wade des Mannes vergrub.
Bernie schrie auf und fiel nach hinten. Duncan rannte zur Haustür, Woof war ihm dicht auf den Fersen. Die Nacht war kalt und dunkel. Duncan wusste, dass er zur Nachbarin gehen sollte, zu Mrs. Teller, wenn er Hilfe brauchte und seine Mutter nicht zu Hause war. Aber Mrs. Tellers Haus lag ebenfalls im Dunkeln. Als er sich umsah, bemerkte er, dass nirgendwo ein Licht zu sehen war. Wahrscheinlich hatte die ganze Nachbarschaft keinen Strom. Er rannte so schnell er konnte zu Mrs. Tellers Haustür und trommelte wie wild darauf ein.
Hinter ihm leuchtete etwas auf. Duncan drehte sich um und sah, wie eine Flamme durch das Fenster seines Hauses züngelte. Bernie erschien unter der Tür, sein Feuerzeug hoch über seinem Kopf. Er sah Duncan und hinkte auf ihn zu.
»Mrs. Teller!« Duncan ballte die Fäuste und schlug noch härter gegen die Tür. »Ich bin es, Duncan!«
Woof fing wie wild zu bellen an. Bernie kam ihnen immer näher - nahe genug, dass Duncan sein verrücktes Kichern hören konnte. Hinter Bernie ging das Haus lichterloh in Flammen auf. Duncan konnte das Feuer durch alle vier Fenster sehen, während bereits Rauch aus dem Dach stieg.
Bernies Gesicht war zu einem grotesken Grinsen verzerrt. Er kam näher und näher. Als er keine fünf Meter mehr von Duncan entfernt war, öffnete Mrs. Teller endlich ihre Tür.
»Halt!«, befahl sie. Duncan blickte sie an. Mrs. Teller war beinahe achtzig, ihr Rücken so krumm wie ein Fragezeichen, und Duncan musste ihr immer helfen, die Konservengläser aufzuschrauben. Aber jetzt sah sie furchterregend aus, als sie so dastand, Mr. Tellers alte Flinte gezückt.
Bernie schien das ähnlich zu sehen, denn er gehorchte und kam keinen Schritt näher.
»Erschießen Sie ihn«, schrie Duncan. »Er ist bei uns eingebrochen und hat das Haus angezündet. Und er hat Woof wehgetan und wollte mich töten!«
Bernie kicherte. »Ich sah, dass das Haus brannte und wollte helfen.«
»Er lügt, Mrs. Teller!«
»Der Junge ist offensichtlich sehr aufgebracht und verwirrt. Ich habe ihm das Leben gerettet.«
»Sie sind nicht von hier«, meinte Mrs. Teller.
»Ich war gerade in der Gegend. Und das war sein Glück, denn sonst wäre der Junge tot.«
»Wo ist Ihr Auto?«
Bernies Lächeln verschwand. »Was? Ach … Es … Es steht da drüben auf der Straße.«
»Das Auto gehört den Chavez’«, sagte Mrs. Teller, zielte und drückte ab.
Santiago fasste sich an die Brust und zuckte zusammen. Die flüssige Körperpanzerung - Kevlargewebe in einer dickflüssigen Suspension aus Nano-Silicon-Partikeln in Polyethylenglykol - hatte ihre Aufgabe gut erfüllt und alle vier Kugeln aufgehalten. Sie hatte nicht nur die Kugeln gestoppt, sondern auch den Aufprall abgefangen und gestreut und somit weitere
Verletzungen verhindert. Aber es tat noch immer weh. Santiago würde es dem Sheriff heimzahlen, sobald er ihn wieder in seiner Gewalt hatte.
Er setzte sich und starrte auf Ajax, der ebenfalls seine Körperpanzerung betastete. Sein Gesichtsausdruck war leer und stupide wie immer. Ajax trug stets diese ausdruckslose Miene, selbst wenn er Menschen die Arme ausriss.
Santiago blickte in Richtung Waldrand und blinzelte. Das gesamte Red-Op-Team besaß Nachtsichtfähigkeiten. Santiago erinnerte sich vage daran, dass das etwas mit erhöhten Rhodopsinwerten in den Stäbchenzellen zu tun hatte, ein weiterer Vorteil des Chips. Ein rascher Scan der Umgebung, aber kein Zeichen vom Sheriff oder dem Feuerwehrmann, der ihn gerettet hatte.
Eine plötzliche Erinnerung überfiel ihn, und auf einmal war Santiago zurück in Bolivien, seiner Heimat. Er erinnerte sich an den Raum, in dem der Wille der Gefangenen gebrochen wurde. Manchmal geschah das für Verhöre, manchmal aber auch nur, um ein Exempel zu statuieren. Santiago hatte schon immer ein Talent dafür besessen, anderen Lebewesen Schmerzen zuzufügen.
Als er fünfzehn Jahre alt war, bewirtschaftete seine Familie einen Bauernhof und ernährte sich von den Ziegen, Kühen und Hühnern, die sie aufzogen. Die Tiere, die sie nicht selbst brauchten, wurden auf dem Markt in der Stadt verkauft. Aber dann hatte etwas angefangen, ihren Viehbestand umzubringen. Die Tiere wurden auf fürchterlichste Art verstümmelt. Ihre Augen und Genitalien wurden ihnen ausgestochen, ihre Gedärme entnommen, verknotet oder geflochten. Die Knochen hatten so viele Brüche erlitten, dass sie den Körpern
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