Angst - Kilborn, J: Angst - Afraid
keinerlei Form mehr verliehen.
Die Dorfbewohner flüsterten hinter vorgehaltener Hand
von einem Chupacabra in der Umgebung, einer bösen mythischen Kreatur.
Santiago aber wusste, wer in Wahrheit dahintersteckte. Schließlich war er es, der die Tiere mit Futter und gutem Zureden in eine Höhle lockte, wo er sie anband und dann über Stunden hinweg quälte.
Nach mehreren Jahren derartigen Zeitvertreibs machte er den nächsten Schritt und verging sich statt an den Tieren der Dorfbewohner an den Dorfbewohnern selbst. Bei seinem Versuch, ein besonders lautes und widerspenstiges Mädchen zu ködern, wurde er schließlich gefangen genommen und hinter Gitter geworfen. Aber anstatt ihn langsam vor die Hunde gehen zu lassen, wurde die Geheimpolizei auf ihn aufmerksam und heuerte ihn an. Von diesem Moment an wurde er für seine Perversionen bezahlt.
Viele Jahre lang folgte er seiner Berufung. Santiago grinste, als er sich an ein besonders unterhaltsames Verhör mit einem Schraubstock und einer Käsereibe erinnerte. Er hatte das Gesicht des Mannes vor Augen und konnte auch jetzt noch seine Schreie hören …
Der Chip registrierte die erhöhte elektrische Aktivität in Santiagos Mandelkern und Hippokampus und reagierte umgehend, indem er einen sofortigen Neustart der Erinnerungen befahl.
»Wachmacher«, sagte Santiago.
Ohne nachzudenken griff er in seine Tasche und holte eine kleine Kapsel heraus, die er unter seiner Nase aufbrach. Die Dämpfe ließen die Schmerzen verschwinden, sein Herz schneller schlagen und zerstreuten die belanglosen Erinnerungen und Gedanken, um so das nächste Missionsziel in Santiagos Hirn zuzulassen: Sheriff Streng ausfindig machen. Santiago hinterfragte die Befehle nie. Genauso, wie es ihn nicht störte,
dass er ganz offensichtlich einen Einsatz auf amerikanischem Boden hatte. Die Mission war das Einzige, was ihn etwas anging und was wichtig war.
Er stand auf und blickte Ajax an. Der Riese atmete soeben ebenfalls den Dampf einer Kapsel ein, und seine Augen rollten hoch, bis nur noch das Weiße darin zu sehen war. Einen Wimpernschlag später sprinteten die beiden mit einer Geschwindigkeit und einer Behändigkeit durch den Wald, zu denen höchstens durchtrainierte Athleten in der Lage waren. Santiago duckte sich und wich Ästen aus, während Ajax sie einfach beiseiteschlug. Sie ermüdeten nicht, gerieten nicht außer Atem, und ihr Puls erreichte noch nicht einmal siebzig Schläge pro Minute - der normale Wert für einen ausgeruhten Menschen. Ajax hielt ein einziges Mal inne, um eine Spur zu untersuchen, und nach bereits fünfzig Laufschritten hatten sie den Sheriff und seinen Freund im Visier.
Daraufhin änderten die Red-Op-Soldaten ihre Taktik und wechselten vom Verfolgungs- in den Tarnmodus. Geräuschlos fügten sie sich in den Wald ein und flossen wie Flüssigkeit durch die Bäume. Der Sheriff würde sie nicht ein weiteres Mal zum Narren halten.
Fran Stauffer lag mit dem Gesicht auf dem Boden des Parkplatzes, die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Noch nie hatte sie so viel Hass verspürt wie in diesem Augenblick. Fran war Mitglied von Amnesty International. Sie protestierte gegen die Todesstrafe. Sie hatte sogar dem unbekannten Fahrer vergeben, der ihren Mann getötet hatte.
Aber dieser Mann - Taylor - hatte ihren Glauben an die Menschheit nicht nur mit Füßen getreten, sondern ihn zerstört.
Und das alles durch einen einzigen Satz: »Wir haben Duncan, und wir werden ihm wehtun.«
Auf einmal wurden Menschenrechte Nebensache. Das Gleiche galt für die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens. Wenn Frans Hände nicht gefesselt gewesen wären, hätte sie ohne jegliche Schuldgefühle oder Reue Taylor die Gurgel durchschnitten.
»Sie scheinen wütend zu sein«, meinte er und lächelte. Taylor sah nicht wie ein Monster aus. Er besaß ein markantes, beinahe rechteckiges Gesicht, das man durchaus als attraktiv bezeichnen konnte. Auch sein Lächeln war charmant. Aber Fran hatte gesehen, was er Al angetan hatte, und es bestand kein Zweifel daran, dass er ihr das Gleiche oder Schlimmeres antun würde. Und Duncan ebenfalls.
»Lassen Sie Duncan da raus. Er ist noch ein Kind.«
»So wie ich die Sache sehe, will Bernie ihn fressen. Das habe ich schon mal gesehen. In Bosnien hat er das Bein eines Mannes gebraten und gegessen, während der ihm zuschauen musste. Ich selbst mag es roh lieber.«
Taylor grinste erneut und biss zu. Fran kämpfte gegen die Panik an, die in ihr aufstieg, und
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