Angst sei dein Begleiter: Thriller (German Edition)
erfüllt gewesen. Von hässlichem Lärm.
Doch daran wollte er jetzt nicht denken, nicht, wenn er schuf. Als er die Frisur schließlich fertiggestellt hatte, trat er zurück, um das Ergebnis zu begutachten. Atemberaubend. Vom Scheitel bis zur Sohle ihrer hochhackigen, paillettenbesetzten Pumps war jedes Detail perfekt.
Ein Adrenalinstoß schoss süß durch seine Adern. »Das Rouge in Koralle ist großartig. Ich hatte Angst, es könnte zu grell sein, aber es war die perfekte Entscheidung.« Er griff nach seiner Digitalkamera. »Ein Foto«, sagte er. »Wir müssen ein Foto machen.« Er war schon im Begriff, den Auslöser zu betätigen, als ihm auffiel, dass etwas fehlte.
Er lachte über seine Vergesslichkeit. »Wenn wir ein Foto machen wollen, solltest du die Puppe im Arm halten.« Er ging zu einer der Glasvitrinen, die seine Puppensammlung enthielten, und öffnete die seitliche Tür.
Wenn du meine Puppen kaputt machst, dreh ich dir den Hals um. Hast du verstanden, Junge?, schrie die Stimme in seinem Kopf.
Einen Augenblick lang war er wie erstarrt und zitterte am ganzen Körper. Sein Herz raste. Fass die Puppen nicht an. Fass die Puppen nicht an, kreischte die Stimme. So viel Lärm. Hässlicher Lärm. Du kriegst Schläge, Junge!
»Du kannst mich nicht mehr schlagen«, flüsterte er laut. »Du bist tot.« Er atmete tief durch, griff in die Vitrine und schloss die Finger um die winzige Taille der in Seide gekleideten Puppenbraut.
Ihr perfektes Lächeln beruhigte ihn, und ihre strahlend blauen Augen und die goldenen Ringellöckchen entsprachen genau dem Aussehen der Frau, die in seinem Sessel saß.
»So«, sagte er und setzte ihr die Puppe auf den Schoß. Dann griff er nach seiner Kamera. »Dieses Foto wird ein wunderbares Andenken sein. Die Braut-Belinda und du.« Er drückte den Auslöser für die erste Aufnahme, dann machte er noch eine und noch eine, bevor er die Kamera wieder beiseitestellte.
Er ging zurück zu ihr, nahm ihr die Puppe vom Schoß und setzte sie behutsam auf seinen Schreibtisch neben den Versandkarton.
Noch einmal griff er nach der Kamera und betrachtete die Fotos, die er gerade gemacht hatte. Er zoomte sie heran, prüfte alle Details. Es war erstaunlich, wie sehr sie und die Puppe sich ähnelten.
Die Kleider waren nahezu identisch. Der einzige Unterschied bestand in den Knöpfen, die das Kleid vorn geschlossen hielten. Er hatte keine finden können, die exakt den winzigen Glitzerknöpfen des Puppenkleids entsprachen, doch die, die er ausgewählt hatte, kamen ihnen so nahe, dass der Unterschied mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen war.
Detailgenauigkeit – darauf kam es an. Wenn man eine Frau wie eine Puppe aussehen lassen wollte, musste man alle Kleinigkeiten genau beachten.
Er zoomte das Foto noch näher heran und betrachtete das Gesicht der Braut. Unmut schlug wie eine Welle über ihm zusammen, als er die roten Punkte sah, die das Weiß ihrer Augen verfärbten.
Petechiale Blutungen, stecknadelkopfgroß. Er musste sich etwas anderes als Strangulieren einfallen lassen, denn diese Blutungen ließen sich einfach schlecht vermeiden.
Er brauchte nur wenige Minuten, um eines der Fotos auszudrucken, im Hochglanzformat, achtzehn mal vierundzwanzig. Dann ging er zu der Pinnwand hinüber und heftete es dort an.
»Du hattest deine Puppen, Mutter, und jetzt habe ich meine erste.« Er wandte sich wieder der Frau in dem Stuhl zu. Ihm war klar, dass sie nicht lange halten würde. Sie sah atemberaubend aus, doch ihre puppenhafte Schönheit würde schon bald anfangen zu verwesen. Ihre Haut würde sich verfärben, ihre Züge würden verfallen, und sie würde anfangen zu stinken.
Ihm war klar, dass er sie irgendwann loswerden musste, aber noch nicht jetzt. Jetzt wollte er nur dasitzen und die erste Puppe seiner eigenen Sammlung betrachten.
Während er seine Puppenbraut ansah, dachte er an all die anderen, die er erschaffen würde. Die Märchenprinzessin-Penny, Karneval-Clara, Hula-Hannah und noch mehr. Jede bedeutete eine besondere Erinnerung für ihn, jede verlangte danach, von ihm mit seiner eigenen Magie wiedererschaffen zu werden.
Und natürlich die Königin von allen … die Annalise-Puppe. Mit ihr hatte alles angefangen, sie war die erste gewesen, und sie sollte die letzte seiner Schöpfungen sein, diejenige, die ihn endlich befreite.
Wenige Minuten nach ihrer Ankunft in der Bar hatte Annalise an einem Tisch zwischen Danika und Sammy Winfield, ihrem besten Näher, Platz genommen. Ihr
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