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Angst

Angst

Titel: Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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brummende Serverfarm. Hoffmann führte den schmalen Lichtstrahl seiner Taschenlampe an den Stahlregalen mit den Prozessoren entlang, die sich über die Stirnwand und die Seiten des Raumes zogen. Der vertraute, merkwürdig süßliche elektrische Geruch nach verbranntem Staub stieg ihm in die Nase. An jedem Regal klebte das Schild einer Computerfirma: Bei Störungen bitte diese Nummer anrufen. Er ging langsam weiter und schwenkte dabei seine Taschenlampe links und rechts an den Stellagen entlang. Er fragte sich, wer sonst noch Zutritt zu diesem Raum hatte. Vermutlich Genoud und die Leute seiner Sicherheitsfirma, für Reinigung und Wartung zuständige Dienstleister, Computertechniker. Wenn Anweisungen und Bezahlung per E-Mail abgewickelt wurden, dann konnte die Anlage wahrschein lich ohne eigene Mitarbeiter und allein mit externen Arbeitskräften betrieben werden: das ultimative Gates-Modell des Unternehmens als digitales Nervensystem. Ihm fiel ein, dass Amazon sich in seinen Anfängen als »reales Unternehmen in einer virtuellen Welt« bezeichnet hatte. Vielleicht war das hier die logische Weiterentwicklung in der Evolutionskette: ein virtuelles Unternehmen in einer realen Welt.
    Hoffmann gelangte zur nächsten Tür und wiederholte die Prozedur mit der Taschenlampe und dem Gesichtsscanner. Als die Bolzen zurückglitten, blieb er kurz stehen und inspizierte den Türrahmen. Die Wände waren keine tragenden, sondern dünne, vorgefertigte Trennwände. Von außen hatte er sich das Gebäude als einen einzigen großen Raum vorgestellt, doch jetzt sah er, dass sein Inneres einem Wabenmuster glich, der Zellstruktur einer Insektenkolonie. Er trat über die Schwelle, hörte links ein Ge räusch und fuhr herum. Auf einer Schiene glitt ein IBM - TS 3500-Bandroboter auf ihn zu, blieb plötzlich stehen, zog eine Datenscheibe heraus und surrte wieder zurück.
    Hoffmann beobachtete, wie sich der Roboter entfernte, und wartete, bis sein Herzschlag sich wieder beruhigt hatte. Es lag eine Art dringlicher Aktivität in der Luft. Als er weiterging, sah er, dass vier weitere Roboter emsig hin und her sausten. In der hintersten Ecke des Raums fiel der Lichtstrahl seiner Taschenlampe auf eine Stahltreppe, die in ein höheres Stockwerk führte.
    Der angrenzende Raum war kleiner, hier schienen die Datenleitungen zusammenzulaufen. Er hielt den Lichtstrahl auf zwei große schwarze Kabelstränge, die so dick wie seine Faust waren und wie Knollenwurzeln aussahen. Sie kamen aus einem Stahlkasten, verliefen nach unten in eine Kabelrinne unter seinen Füßen und dann wieder nach oben in eine Art Verteilerkasten. Auf beiden Seiten des Gangs standen schwere Metallkäfige. Er wusste, dass die Glasfaserleitungen GVA -1 und GVA -2 von ihrem Landungspunkt in Marseille aus nach Deutschland verliefen und dabei dicht am Genfer Flughafen vorbeiführten. Die Geschwindigkeit der Datenübertragung zwischen New York und Marseille war ebenso groß wie die der Teilchen, die der Large Hadron Collider durch seinen Ringtunnel schoss – nur einen Bruchteil geringer als die des Lichts. VIXAL hing an der schnellsten Kommunikationsleitung Europas.
    Der Lichtstrahl seiner Taschenlampe folgte anderen Kabeln, die auf Schulterhöhe an der Wand entlangliefen. Die zum Teil mit verzinktem Stahlblech ummantelten Kabel traten neben einer kleinen Tür aus der Wand. Die Tür war mit einem Vorhängeschloss gesichert. Hoffmann klemmte das Stemmeisen in das Halboval des Bügels und benutzte es als Hebel. Knirschend brach der Bügel aus seinem Gehäuse, und die Tür sprang auf. Im Schein seiner Lampe sah er eine Art Kontrollraum mit Stromzählern, einem großen Verteilerkasten von der Größe eines kleinen Wandschranks und ein paar Schutzschaltern. Eine weitere Videokamera beobachtete jede seiner Bewegungen. Er kippte die Schutzschalter nach unten auf AUS . Eine Sekunde lang tat sich nichts, dann sprang irgendwo rumpelnd ein Dieselgenerator an. Seltsamerweise gingen alle Lichter an. Hoffmann fluchte. Er rammte das Ende des Stemmeisens in das Objektiv der Kamera und zerstörte das Auge seines Peinigers. Dann machte er sich in einem Anfall von Zerstörungswut über die Sicherungstafeln her und schlug auf die Plastikgehäuse ein. Erst als er merkte, dass er damit nicht das Geringste bewirkte, hielt er inne.
    Er schaltete die Taschenlampe aus und ging zurück in den Computerraum. An der gegenüberliegenden Wand stellte er sich vor den Scanner, wobei es ihn große Mühe kostete, ein gelassenes

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