Angst
stelle?«
»Nur zu.«
»Wann haben Sie Doktor Hoffmann kennengelernt?«
»Erst vor ein paar Minuten habe ich daran gedacht.« Sie sah Alex deutlich vor sich. Er hatte sich mit Hugo Quarry unterhalten – schon damals, ganz am Anfang, kein Bild ohne den verdammten Quarry. Sie hatte den ersten Schritt tun müssen. Da sie schon genug getrunken hatte, war ihr das egal gewesen. »Das war auf einer Party in Saint-Genis-Pouilly, vor etwa acht Jahren.«
»Saint-Genis-Pouilly«, wiederholte Leclerc. »In der Gegend wohnen viele CERN -Wissenschaftler, oder?«
»Ja, damals jedenfalls. Sehen Sie den großen, grauhaarigen Mann da drüben? Er heißt Walton. Die Party war in seinem Haus. Hinterher sind wir in Alex’ Wohnung gefahren. Ich weiß noch, dass praktisch die ganze Einrichtung aus Computern bestand. Die haben so viel Hitze entwickelt, dass die Wohnung mal auf dem Infrarotschirm eines Polizeihubschraubers aufgeleuchtet hat. Da war dann eine Razzia fällig. Das Drogendezernat glaubte, er würde da Cannabis anbauen.«
Sie musste beim Gedanken daran lächeln. Auch Leclerc lächelte – aber nur der Form halber, vermutete sie, um sie bei Laune zu halten. Sie fragte sich, was er von ihr wollte.
»Haben Sie auch am CERN gearbeitet?«
»Gott, nein. Ich war Sekretärin bei der UNO . Ich war die typische ehemalige Kunststudentin mit schlechten Berufsaussichten und guten Französischkenntnissen.« Ihr fiel auf, dass sie zu schnell redete und zu viel lächelte. Er musste glauben, dass sie einen Schwips hatte.
»Aber Doktor Hoffmann war noch am CERN , als Sie ihn kennengelernt haben?«
»Er dachte damals gerade über den Absprung nach, um eine eigene Firma zu gründen. Mit einem Partner, Hugo Quarry. Schon seltsam, wir haben uns alle am selben Abend kennengelernt. Ist das wichtig?«
»Und warum genau hat er das CERN damals verlassen, wissen Sie das?«
»Da müssen Sie ihn selber fragen. Oder Hugo.«
»Das werde ich. Dieser Quarry, ist der Amerikaner?«
Sie lachte. »Nein, Engländer. Ein sehr englischer Engländer.«
»Ich nehme an, ein Grund für Doktor Hoffmanns Ab schied vom CERN war, dass er mehr Geld verdienen wollte.«
»Nein, eigentlich nicht. Geld hat ihn nie interessiert. Damals jedenfalls nicht. Er hat gesagt, dass es für sein Forschungsgebiet praktischer wäre, wenn er eine eigene Firma hätte.«
»Und welches Gebiet war das?«
»Künstliche Intelligenz. Aber wegen der Einzelheiten müssen Sie ihn wirklich selbst fragen. Das war leider immer ein paar Nummern zu hoch für mich.«
Leclerc schwieg.
»Wissen Sie, ob er jemals psychiatrische Hilfe in Anspruch genommen hat?«
Die Frage schreckte sie auf. »Nicht dass ich wüsste. Warum fragen Sie?«
»Jemand am CERN hat mir erzählt, dass er damals einen Nervenzusammenbruch erlitten und deshalb gekündigt habe. Ich habe mich gefragt, ob Ähnliches später noch mal vorgefallen ist.«
Sie merkte, dass sie den Inspektor mit offenem Mund anstarrte, und machte den Mund zu.
Er beobachtete sie genau. »Tut mir leid«, sagte er. »Das haben Sie nicht gewusst?«
Sie fing sich wieder. »Doch, natürlich habe ich das gewusst«, log sie. »Ich meine, nicht im Detail, aber ich habe es gewusst.« Sie war sich bewusst, wie unglaubwürdig sie klang. Aber was hätte sie tun sollen? Zugeben, dass ihr Ehemann oft ein Rätsel für sie war? Dass ein Großteil dessen, was Tag für Tag in ihm vorging, schon immer unzugängliches Gebiet für sie gewesen war, dass dieser nicht fassbare Teil seines Wesens sie überhaupt erst zu ihm hingezogen, ihr aber auch immer Angst eingejagt hatte? »Sie haben also Alex überprüft?«, sagte sie mit brüchiger Stimme. »Sollten Sie sich nicht auf den Mann konzentrieren, der ihn überfallen hat?«
»Ich muss allen Hinweisen nachgehen, Madame«, sagte Leclerc steif. »Möglicherweise kennt der Täter Ihren Mann von früher und hegt irgendeinen Groll gegen ihn. Ich habe einen Bekannten am CERN, und den habe ich nur gefragt, warum er damals gekündigt hat – inoffiziell und streng vertraulich, das kann ich Ihnen versichern.«
»Dieser Bekannte hat Ihnen also erzählt, dass Alex einen Nervenzusammenbruch hatte. Und deshalb glauben Sie jetzt, dass er diese Geschichte mit dem geheimnisvollen Einbrecher vielleicht nur erfunden hat?«
»Nein, ich versuche nur, alle Begleitumstände zu verstehen.« Er trank sein Glas auf einen Zug aus. »Entschuldigen Sie bitte, das ist Ihre Party, ich habe Sie schon viel zu lange aufgehalten.«
»Möchten Sie
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