Angst
mal meine Frau begrüßen.«
»Natürlich, Verzeihung.« Walton hielt ihm wieder die Hand hin, bevor er sich zum Gehen wandte. »War nett, mit Ihnen zu plaudern. Wir sollten uns mal wieder länger unterhalten. Meine E-Mail-Adresse haben Sie ja.«
»Ich habe keine E-Mail-Adresse von Ihnen«, rief ihm Hoffmann hinterher.
Walton drehte sich um. »Natürlich, Sie haben mir doch eine Einladung geschickt.«
»Einladung wofür?«
»Na, zu der Ausstellung hier.«
»Ich habe überhaupt keine Einladungen verschickt.«
»O doch, natürlich. Einen Augenblick …«
Typisch Walton, dachte Hoffmann, ganz der pedantische Akademiker, der auf jeder Kleinigkeit beharrte, auch wenn er falschlag. Doch dann zeigte ihm Walton auf dem Display seines Blackberrys die Einladung, auf der als Absender Hoffmanns E-Mail-Adresse vermerkt war.
Zögernd sagte Hoffmann, der es ebenfalls hasste, einen Irrtum zugeben zu müssen: »Ah ja, richtig. Hatte ich ganz vergessen. Also dann, wir sehen uns.«
Um seine Verärgerung zu verbergen, wandte er Walton schnell den Rücken zu und begab sich auf die Suche nach Gabrielle. Als er sich schließlich bis zu ihr durchgedrängelt hatte, sagte sie – ziemlich eingeschnappt, wie er fand: »Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.«
»Ich bin so schnell los, wie ich konnte.« Er küsste sie auf den Mund und nahm den säuerlichen Champagnergeschmack wahr.
»Hier, Doktor Hoffmann«, rief ein Mann, und dann leuchtete keinen Meter von ihm entfernt der Blitz eines Fotografen auf.
Als hätte ihm jemand ein Glas Säure ins Gesicht geschüttet, riss Hoffmann instinktiv den Kopf zurück. Während er noch gezwungen lächelte, fragte er Gabrielle: »Was zum Teufel macht denn Bob Walton hier?«
»Woher soll ich das denn wissen? Du hast ihn doch eingeladen.«
»Ja, er hat mir gerade seine Einladung gezeigt. Aber weißt du, was? Ich bin mir sicher, dass ich ihm keine geschickt habe. Warum sollte ich? Er war dafür verantwortlich, dass ich meine Forschungen am CERN einstellen musste. Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesehen …«
Plötzlich stand der Galeriebesitzer neben ihm. »Sie sind bestimmt sehr stolz auf Ihre Frau, Doktor Hoffmann«, sagte Bertrand.
»Was?« Hoffmann sah immer noch zu seinem Exkollegen hinüber. »Oh, ja. Natürlich … sehr stolz.« Krampfhaft bemühte er sich, Walton zu vergessen, und suchte stattdessen nach irgendetwas Passendem, was er zu Gabrielle sagen könnte. »Hast du schon was verkauft?«
»Vielen Dank, Alex«, sagte Gabrielle. »Aber es geht nicht immer nur um Geld.«
»Ja, schon gut. Das weiß ich. War nur eine Frage.«
»Wir haben noch jede Menge Zeit«, sagte Bertrand. Mit zwei Takten Mozart meldete sich sein Handy. Er warf einen Blick auf das Display und sah überrascht aus. »Entschuldigen Sie mich bitte.« Er eilte davon.
Hoffmann war immer noch halb blind von dem Blitz. Während er sich die Porträts anschaute, sah er in der Mitte einen leeren Fleck. Trotzdem versuchte er sich an einem anerkennenden Kommentar. »Fantastisch, wenn man sie alle zusammen sieht. Du hast wirklich ein Gespür dafür, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Für das, was sich unter der Oberfläche verbirgt.«
»Wie geht’s deinem Kopf?«, fragte Gabrielle.
»Gut. Hab schon gar nicht mehr dran gedacht. Das da mag ich besonders.« Er deutete auf einen Kubus. »Das ist von dir, oder?«
Er erinnerte sich daran, dass es einen ganzen Tag gedauert hatte, nur um die Aufnahme machen zu lassen. Zusammengekauert wie ein Opfer von Pompeji, hatte sie in dem Scanner gelegen. Die Knie bis zur Brust hochgezogen, den Kopf zwischen den Händen, den Mund wie zu einem Schrei weit aufgerissen. Als sie ihm die Aufnahme zu Hause gezeigt hatte, war er fast so schockiert gewesen wie beim Anblick des Fötus. Sie war ganz bewusst dem Bild des Fötus nachempfunden.
»Eben war Leclerc da«, sagte sie. »Du hast ihn um ein Haar verpasst.«
»Haben die den Burschen etwa schon geschnappt?«
»Nein, er war aus einem anderen Grund da.«
Ihr Tonfall ließ ihn aufhorchen. »Und, was wollte er?«
»Er hat mich nach dem Nervenzusammenbruch gefragt, den du anscheinend während der Zeit am CERN hattest.«
Hoffmann war sich nicht sicher, ob er das richtig ver standen hatte. Der von den weißen Wänden widerhallende Gesprächslärm erinnerte ihn an den Krach im Computerraum. »Er hat mit den Leuten am CERN gesprochen?«
»Wegen des Nervenzusammenbruchs«, wiederholte sie etwas lauter. »Von dem du mir nie etwas erzählt
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