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Angst

Angst

Titel: Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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sie einen schwarzen Slip trägt – für mich sieht sie genau aus wie der Typ, der schwarze Slips trägt. Ich bin mir also sicher, dass sie unten drunter schwarz trägt, absolut sicher, dass das ihre Farbe ist, und ich will eine Million Dollar darauf wetten. Das Problem ist, wenn ich falschliege, bin ich pleite. Also wette ich auch darauf, dass ihr Slip nicht schwarz ist, sondern alle möglichen anderen Farben haben kann – sagen wir, auf diese Möglichkeit setze ich 950 000: Das ist dann der Rest des Marktes, der Hedge, die Absicherung. Okay, das ist ein ziemlich plumpes Beispiel, in jeder Beziehung, aber ich bin noch nicht fertig. Wenn ich recht habe, dann verdiene ich 50 000, aber selbst wenn ich falschliege, verliere ich nur 50 000, weil ich mich nämlich abgesichert habe. Und weil fünfundneunzig Prozent von meiner Million ungenutzt sind – ich bin ja nicht gezwungen, sie auf den Tisch zu legen, das Risiko liegt nur in der Differenz – kann ich ähnliche Wetten mit anderen Leuten abschließen. Oder ich kann es auf etwas ganz anderes setzen. Das Schöne an der Sache ist: Ich muss nicht immer recht haben. Wenn ich mit der Farbe ihrer Unterwäsche nur in fünfundfünfzig Prozent der Fälle richtigliege, dann stehe ich hinterher als sehr reicher Mann da. Übrigens, die schaut Sie wirklich an.«
    »Redet ihr zwei über mich?«, rief sie quer durch den Raum. Ohne die Antwort abzuwarten, ließ sie ihre Bekann ten stehen und kam lächelnd zu ihnen herüber. »Gabby«, sagte sie und streckte Hoffmann die Hand hin.
    »Alex.«
    »Und ich bin Hugo.«
    »Tja, Sie sehen auch aus wie einer.«
    Ihre Anwesenheit hatte Quarry geärgert. Nicht nur weil sie unübersehbar nur Augen für Hoffmann hatte und keinerlei Interesse an ihm zeigte. Er steckte mitten in einer Verhandlung, und was ihn anbelangte, sah er ihre Rolle in dieser Unterhaltung ausschließlich als illustrierende, nicht als teilnehmende. »Wir haben gerade eine Wette abgeschlossen«, sagte er süßlich. »Auf die Farbe Ihres Slips.«

    Auf gesellschaftlichem Parkett hatte Quarry nur sehr wenige Fehler in seinem Leben gemacht. Aber das war, wie er freimütig eingestand, ein Hammer gewesen. »Seitdem hasst sie mich«, sagte er zu Leclerc.
    Leclerc lächelte und machte sich eine Notiz. »Aber Ihre Zusammenarbeit mit Doktor Hoffmann nahm an diesem Abend ihren Anfang?«
    »O ja. Rückblickend würde ich sagen, dass er auf jemand wie mich genauso gewartet hatte, wie ich auf jemand wie ihn.«

    Um Mitternacht waren die Gäste in den Garten gegangen, hatten kleine Kerzen angezündet – »diese kleinen Teelichter, Inspektor« – und in Papierballons gesteckt. Die vielen matt leuchtenden Laternen stiegen in der kalten Luft schnell in die Höhe. Dort sahen sie aus wie gelbe Monde. Jemand rief: »Jeder darf sich was wünschen.« Quarry, Hoffmann und Gabrielle standen mit nach oben gerichte ten Augen und Atemwölkchen vor dem Mund stumm da, bis die Lichter zur Größe von Sternen schrumpften und schließlich ganz verschwanden. Hinterher bot Quarry Hoffmann an, ihn nach Hause zu bringen, worauf sich Gabrielle zu seinem Ärger sofort anschloss und ihnen vom Rücksitz aus ungefragt ihre Lebensgeschichte erzählte. Sie hatte von einer Uni, von der Quarry noch nie gehört hatte, einen Doppelabschluss in Kunst und Französisch und dann am Royal College of Art den Master gemacht, war auf der Sekretärinnenschule gewesen und nach einigen Aushilfsjobs schließlich bei der UNO gelandet. Aber sogar sie verstummte, als sie Hoffmanns Wohnung sah.
    Er hatte sie erst nicht hineinlassen wollen, aber Quarry hatte vorgeschützt, unbedingt aufs Klo zu müssen. »Es war, ehrlich gesagt, als wollte ich am Ende eines übel gelaufenen Abends noch ein Mädchen abschleppen.« Widerwillig nahm Hoffmann sie mit nach oben, schloss die Wohnungstür auf und führte sie in ein lärmendes, tropisch heißes Vivarium. Überall blinkten rote und grüne Lämpchen von Prozessoren, die unter dem Sofa lagen, neben dem Tisch standen und sich in Regalen stapelten. Die von den Wänden hängenden schwarzen Kabelstränge sahen aus wie Lianen. Das Bild erinnerte Quarry an eine Geschichte, die er kurz vor Weihnachten gelesen hatte, über einen Mann aus Maidenhead, der in seiner Garage ein Krokodil gehalten hatte. In der Ecke stand ein Bloomberg-Terminal. Als Quarry aus dem Bad kam, warf er einen Blick ins Schlafzimmer: Das halbe Bett nahmen Computer ein. Er ging zurück ins Wohnzimmer, wo Gabrielle sich Platz auf dem Sofa

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