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Angst

Angst

Titel: Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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hoffnungslos. Wir sind nach Hause gekommen, und er lag oben in einem ihrer Betten, und sie saßen unten vorm Fernseher. Er hat sich immer viel zu sehr unter Druck gesetzt, das hat ihn komplett ausgelaugt. Er war besessen von künstlicher Intelligenz, obwohl er die vermessenen Assoziationen, die damit in Verbindung gebracht wurden, nicht mochte. Er selbst hat es autonomes maschinelles Lernen genannt. Sind Sie technisch interessiert?«
    »Überhaupt nicht.«
    »Ist das dann nicht schwierig, mit jemand wie Alex verheiratet zu sein?«
    »Ehrlich gesagt, ganz im Gegenteil. Deshalb klappt es ja.« Klappte , hätte sie beinahe hinzugefügt. Sie hatte sich in den egozentrischen Mathematiker verliebt, in seine gesellschaftliche Naivität, diese seltsame Unschuld. Es war der neue Alex, der milliardenschwere Präsident eines Hedgefonds, mit dem sie Schwierigkeiten hatte.
    »Also, ohne zu sehr ins technische Detail zu gehen, eine der großen Herausforderungen für uns besteht darin, die schiere Masse der von uns produzierten experimentellen Daten zu analysieren. Im Augenblick liegen wir bei etwa 27 Billionen Bytes pro Tag. Alex’ Lösung bestand darin, einen Algorithmus zu entwickeln, der Schritt für Schritt immer von Neuem lernen sollte, wonach er zu suchen hatte. Das sollte die Arbeit gegenüber derjenigen, die ein Mensch leisten kann, unendlich beschleunigen. Eine theoretisch brillante Lösung, aber eine praktische Katastrophe.«
    »Es hat also nicht funktioniert?«
    »Doch, doch, es hat funktioniert. Das war ja die Katastrophe. Es hat sich wie Schlingpflanzen im ganzen System ausgebreitet. Schließlich mussten wir es in Quarantäne schieben, was im Grunde hieß, dass wir die ganze Anlage abschalteten. Leider musste ich Alex mitteilen, diese spezielle Forschungsrichtung sei zu instabil, wir könnten sie nicht fortsetzen. Sie bräuchte Containment, wie die Atomtechnologie. Ohne einen Mechanismus zur Eindämmung laufe es praktisch darauf hinaus, dass man ein Virus freisetze, das sich unkontrolliert vermehren werde. Alex wei gerte sich, das zu akzeptieren. Eine Zeit lang herrschte eine ziemliche hässliche Atmosphäre. Einmal mussten wir ihn sogar mit Gewalt vom Gelände entfernen lassen.«
    »Und da hat er den Nervenzusammenbruch erlitten.«
    Walton nickte traurig. »Ich habe nie einen Menschen so völlig zerstört erlebt. Als wenn ich sein Kind umgebracht hätte.«

Fünfzehn
    Als ich über diese Fragen nachdachte, […] fiel mir schlagartig der Begriff für dieses neue Konzept ein: Das digitale Nervensystem. […] Es besteht aus den digitalen Prozessen, die es einem Unternehmen ermöglichen, die jeweiligen Gegebenheiten zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren, Herausforderungen durch Konkurrenten frühzeitig wahrzunehmen und den Bedürfnissen der Kunden rechtzeitig nachzukommen.
    Bill Gates
Digitales Business , 1 9 9 9
    Als Hoffmann ins Büro zurückkehrte, machten die meisten Angestellten gerade Feierabend. Es war circa 18 Uhr in Genf und Mittag in New York. Menschen verließen das Gebäude, gingen nach Hause, auf einen Drink oder ins Fitnessstudio. Er stand gegenüber vor einem Hauseingang und hielt Ausschau nach Polizisten. Als er keine sah, lief er über die Straße, schaute niedergeschlagen in den Gesichtsscanner und wurde eingelassen. Dann durchquerte er schnell die Lobby, fuhr mit dem Lift nach oben und ging durch den Handelsraum. Seine Leute waren alle noch da, die meisten verließen ihren Schreibtisch nicht vor acht Uhr. Mit gesenktem Kopf ging er zu seinem Büro und ignorierte die neugierigen Blicke seiner Mitarbeiter, so gut es ging. Marie-Claude saß an ihrem Schreibtisch. Als sie den Mund aufmachte, hob Hoffmann die Hand. »Ich weiß, ich weiß«, sagte er. »Ich brauche zehn Minuten Ruhe, dann kümmere ich mich um alles. Lassen Sie keinen rein, okay?«
    Er ging in sein Büro und schloss die Tür hinter sich. Er setzte sich in seinen teuren orthopädischen Sessel mit dem hypermodernen Kippmechanismus und klappte den Laptop des Deutschen auf. Wer hatte sich in seine Krankenakten eingehackt? Das war die Frage. Wer immer es gewesen war, der steckte auch hinter allem anderen. Hoffmann war ratlos. Er hatte sich nie als einen Menschen gesehen, der Feinde hatte. Es stimmte, er hatte keine Freunde, aber er war immer davon ausgegangen, dass er als Konsequenz aus seiner Zurückgezogenheit auch keine Feinde hatte.
    Er hatte Kopfschmerzen. Er fuhr sich mit den Fingern über die rasierte Stelle. Sie fühlte sich an

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