Angst
mich letzte Nacht überfallen hat.«
Quarry fiel sofort auf, dass er die Vergangenheitsform benutzt hatte. Gehörte? Er fragte sich, wie der Laptop in Hoffmanns Besitz gelangt war. Aber er kam nicht dazu, seine Frage auszusprechen, denn Hoffmann sprang wieder auf. Seine Gedanken überstürzten sich jetzt und trieben ihn vor sich her, er konnte einfach nicht stillsitzen. »Komm mit«, sagte er und lockte ihn mit dem Zeigefinger. »Komm schon.« Er führte Quarry am Ellbogen aus dem Büro und deutete zur Decke über Marie-Claudes Schreibtisch, an der genau der gleiche Rauchmelder hing. Er legte den Zeigefinger auf die Lippen. Dann führte er ihn zum Rand des Handelsraums und zeigte ihm noch einen, noch zwei, drei, vier. Auch im Sitzungszimmer war einer angebracht. Sogar auf der Herrentoilette fanden sie einen. Er stieg auf eines der Waschbecken. Sein Arm reichte gerade bis zur Decke. Er zerrte an dem Rauchmelder herum, bis dieser sich in einer Wolke aus zerborstenem Putz von der Decke löste. Er sprang wieder herunter und hielt ihn Quarry hin. Noch eine Webcam. »Die sind überall«, sagte er. »Seit Monaten sehe ich die Dinger schon, ohne dass sie mir richtig aufgefallen wären. Jede Wette, dass in deinem Büro auch einer hängt. Zu Hause habe ich in jedem Zimmer so ein Ding, sogar im Schlafzimmer. Mein Gott. Sogar im Badezimmer. « Er fasste sich mit der Hand an die Stirn. Erst jetzt begriff er langsam das ganze Ausmaß. »Unglaublich.«
Quarry hatte schon seit Langem insgeheim befürchtet, dass ihre Konkurrenten sie ausspionieren könnten: Genau das hätte er an deren Stelle auch getan. Deshalb hatte er Genouds Sicherheitsfirma angeheuert. Entsetzt drehte er den Rauchmelder in seiner Hand hin und her. »Glaubst du, dass in allen Räumen Kameras installiert sind?«
»Das werden wir ja sehen. Schätze schon.«
»Mein Gott. Und wir zahlen diesem Genoud ein Vermögen dafür, dass er den Laden auf Wanzen filzt.«
»Aber das ist doch das Geniale. Wer sonst sollte die alle hier eingebaut haben? Verstehst du? Genoud hat auch die Sicherheitsanlagen in meinem neuen Haus installiert. Er hat uns vierundzwanzig Stunden am Tag unter Kontrolle.« Hoffmann zog sein Handy aus der Tasche. »Hier, die hat er uns doch auch besorgt, oder? Spezialverschlüsselte Mobiltelefone.« Er brach sein Handy auf und baute es auf dem Rand eines der Waschbecken auseinander. »Meins hat heute schon den ganzen Tag seine Macken gehabt. Die perfekte Wanze. Man braucht nicht mal ein Mikro einzubauen – das ist nämlich schon drin. Das habe ich mal im Wall Street Journal gelesen. Du glaubst, du hast es ausgeschaltet, dabei ist es immer aktiv. Nimmt deine Gespräche auf, auch wenn du gar nicht telefonierst. Und du selbst sorgst dafür, dass der Akku immer schön voll ist.«
Hoffmann wirkte so sicher, dass sogar Quarry sich von seiner Paranoia anstecken ließ. Er begutachtete sein Handy so penibel, als wäre es eine Handgranate, die jede Sekunde explodieren konnte, dann schaltete er es ein und rief seine Sekretärin an. »Amber, find raus, wo Ge noud steckt, und schick ihn sofort her. Sag ihm, er soll alles stehen und liegen lassen und sofort in Alex’ Büro kommen.« Er unterbrach die Verbindung. »Mal sehen, was der Wichser zu sagen hat. Ich habe dem Kerl nie getraut. Ich frage mich, was für ein Spiel der spielt.«
»Das liegt doch auf der Hand, oder? Wir sind ein Hedgefonds, der 83 Prozent Gewinn macht. Wenn irgend wer einen Klon von uns aufbaut, der alle unsere Trades kopiert, dann macht er ein Vermögen. Der braucht nicht mal zu wissen, wie es funktioniert. Ist doch sonnen klar, warum man uns ausspioniert. Das Einzige, was ich nicht verstehe, sind die anderen Sachen, die er abgezogen hat.«
»Welche anderen Sachen?«
»Das Offshore-Konto auf den Kaimaninseln, die Überweisungen und Abhebungen, die E-Mails, die er in meinem Namen verschickt hat, das Buch mit dem ganzen Zeug über Angst und Schrecken, das er mir gekauft hat, die Sabotage von Gabbys Ausstellung, dass er sich in meine Krankenakten eingehackt und mir diesen Psychopathen auf den Hals gehetzt hat. Als ob man ihn dafür bezahlt hätte, mich in den Wahnsinn zu treiben …«
Während Quarry ihm zuhörte, beschlich ihn wieder dieses unangenehme Gefühl, aber bevor er etwas sagen konnte, klingelte sein Handy. Es war Amber.
»Monsieur Genoud war unten im Erdgeschoss, er ist schon auf dem Weg.«
»Danke.« Er wandte sich an Hoffmann. »Anscheinend ist er im Haus. Merkwürdig, findest
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