Angstblüte (German Edition)
Puma- Charts lagen auf seinem Tisch. Im Mai hatte Severin Seethaler für die 1,2 Millionen von Diego Puma- Aktienfür ihn gekauft. Aus Sentimentalität. Puma hatte seine Schläger gekauft, Karl wollte wieder bei seinen Schlägern sein. Inzwischen hatte sich Mayfair, die Verwaltung der Tchibo- Geschwister, mit 17 Prozent bei Puma hineingekauft, und Puma selber war immer noch mit Aktienrückkauf beschäftigt. Bis 2011 sollen eigene Aktien für 200 oder 300 Millionen zurückgekauft werden. Weil Puma so im Steigen war und weil er bei steigenden Kursen kaufte, wie er bergauf beschleunigte, hatte er im Mai nicht nur für die 1,2 Millionen von Diego Puma gekauft, sondern noch achthunderttausend dazugelegt. Daß Amei Varnbühler-Bülow-Wachtel damals den Verkauf ihrer Puma- Werte so temperamentvoll abgelehnt hatte, kann eine Rolle gespielt haben. Er empfing von seinen Kunden soviel Botschaften wie sie von ihm. Jetzt hatte er auf dem Tisch das Puma- 52-Wochen-Hoch: 238,80, das Tief: 171,50. Tageskurs: 217,00 Er würde ordern: Verkauf bei 220. Nein, bitte nicht! Bei 225. Gekauft für 193. Das hieß ein 32Plus pro Aktie, ist gleich sechzehn Komma soundsoviel Prozent! Und um die 10 000 Stücke hatte er gekauft. Also ein Plus von 320 000. Also würde ihn sein Zwei-Millionen-Einsatz beim Film nur 1,68 Millionen kosten. Herr Seethaler würde ein solches Quantum ohnehin nicht auf einmal auf den Markt werfen, sondern Stück für Stück einstellen.
Bis Strabanzer das Geld braucht, wird es dasein.
Sollte Karl wirklich so tun, als wolle er das Drehbuch lesen, bevor er einstieg? Nein. Er wollte das Drehbuch allenfalls lesen, weil Strabanzer als seine Ästhetik angekündigt hatte: Am Leben entlang. Da durfte man gespannt sein. Theodor Strabanzer war kein Luftikus, kein Hochstapler, schon gar kein Betrüger. Erstaunlich genug, daß er Strabanzer aushielt, obwohl der doch offensichtlich Jonis Liebhaber war. Gegen Strabanzer mußte er nichts unternehmen. Noch nicht. Joni hatte bis jetzt noch keine Strabanzerschen Bettgesten geliefert. Karl konnte sich mit Strabanzer nichts vorstellen, was ihn so gepeinigt hätte wie der Meister des sorgfältigen Beischlafs, wie der Kußpädagoge und Erniedrigungsspezialist Pseudo-Dostojewskij und der Schaum-Schwamm-Moschus-Lavendel-Fürst. Den pausbäckigen Dreier-Propagandisten nicht zu vergessen. Vielleicht hat so eine Troika stattgefunden, und Joni hat es nicht gestehen können. Zu dritt, das konnte er sich nur als eine Service-Groteske vorstellen. Besser gar nicht. Zu Strabanzer mußte Joni noch Material liefern, damit eine Art Vorstellbarkeit möglich wurde. Karl würde gegen Strabanzer vorerst nichts unternehmen. Strabanzer war ein Leidensvirtuose, basta.
Über das Tagesgeschäft hinausgehende Entscheidungen hatte Karl von Kahn immer von seinem Gefühl abhängig gemacht. Dieser Strabanzer war durch Verletzungen geworden, wie er jetzt war. An diesem Tiroler-Katalanen kam Karl einiges verwandt vor. Je bedrohlicher der Horizont sich näherte, um so heftiger blühte die Illusion, unbesiegbar zu sein. Und von dieser Illusion konnte man zehren. Von ihr lebte man. Sie ist die Kraftquelle schlechthin. Außer ihr ist nichts …
Er rief Joni an. Per Handy. Er wollte nichts wissen, nicht stören, nicht einmal hören, ob sie gut gelandet sei in Berlin, er wollte nur sagen: Ich liebe dich. Sie sollte, da sie sicher in einer beruflichen Situation eingeklemmt war, nichts sagen. Er rief einfach an.
Sie sagte: Jaa.
Er meldete sich, sagte seinen Satz und daß er nichts wolle als diesen Satz sagen.
Sie sagte: Du wirst immer anrufen, wenn es am wenigsten paßt.
Er entschuldigte sich.
Sie sagte: Bis später.
Das war eine Verabredung. Damit konnte man doch leben, den Tag verbringen. Dr. Dirks Bericht über die Med-Tech- Tagung lesen, sich von Berthold Brauch über die neuesten Bloomberg-Nachrichten informieren lassen und die guten alten Zeitungen studieren.
Er hatte Joni gestört. Aber wenn sie in einer Situation mit Frauen gewesen wäre, hätte sie anders reagiert. Schon ihr erstes Ja hieß: Was soll denn das! Sie mußte den Männern, mit denen sie zusammen war, beweisen, daß dieses Zusammensein mit ihnen ihr wichtiger war als jeder überhaupt denkbare Anruf. Kein Mann der Welt war ihr wichtiger als die Herren, mit denen sie da zusammensaß. Sicher beruflich. Und trotzdem waren das Männer.
Kann etwas, was unmöglich ist, noch unmöglicher werden? Karl wollte sich hinüberretten in etwas
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