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Angstblüte (German Edition)

Angstblüte (German Edition)

Titel: Angstblüte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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Kahn stand auf und sagte, diese Sitzung habe ihn gestärkt. Er gestehe, daß er kein Kinogänger sei, aber Theodor Strabanzer, halb Tiroler, halb Katalane und Verehrer Buñuels, habe ihn für sich gewonnen.
    Hatte Joni gesagt: Bis später oder Bis bald oder Bis nachher? In Zukunft jedes Telefonwort von ihr mitschreiben. Das war überhaupt seine Gewohnheit, jedes Telefongespräch mitzuschreiben. Und bei Joni tut er das nicht! Wahnsinn.
    Er ließ alle gehen, sogar Frau Lenneweit. Er würde erst gehen, wenn er mit Joni gesprochen haben würde.
    Frau Lenneweit sagte zum Schluß: Sie würden’s mir schon sagen, wenn Sie mich noch brauchen täten, gell.
    Und ob, Frau Lenneweit, und ob, sagte er und schüttelte ihr die Hand, als sei’s für länger. Diese Frau merkt alles. Und nützt es nicht aus. Frau Lenneweit, rief er noch.
    Sie drehte sich schnell um und sagte: Ja? Dieses Ja hieß: Lassen Sie mich doch jetzt nicht gehen. Brauchen Sie mich doch noch, bitte.
    Karl von Kahn sagte: Wir müssen jetzt nicht darüber sprechen, aber ich weiß, daß Sie mich hier jederzeit ersetzen könnten. Das zu wissen tut gut. Ich wünsch einen schönen Abend.
    Frau Lenneweit neigte ihren Kopf, ihre nicht ganz bis auf die Schultern reichenden, dunkelrotbraun getönten Haare fielen ihr links und rechts nach vorne, dann richtete sie sich wieder auf und zeigte, daß sie gefaßt sei. Es hat mich gefreut, das zu hören, sagte sie. Und ging.
    Karl von Kahn überließ sich den Säulen und Gesimsen und Kapitellen der Vereinsbank- Fassade. Joni rief tatsächlich noch an.
    Morgen und übermorgen Textarbeit, dann sieben Drehtage. Natürlich eine Rolle unter aller Sau. Ein Hausmädchen, das von der Herrin gequält wird, weil der Hausherr zu freundlich ist zu ihr. Die Herrin legt Geld da und dort hin, in der Hoffnung, das Mädchen stehle, dann könnte sie sie feuern undsoweiter. Haupthandlung: Der Mann will, daß seine Frau sich von ihm scheiden läßt, die Schuld auf sich nimmt, seinem Ruf würde es schaden, wenn er der Schuldige wäre, es würde ihm aber nützen, das Opfer einer von ihm nicht zu verantwortenden Scheidungsaffäre zu sein. Eben Vorabendprogramm, sagte Joni. Aber sieben Drehtage in Berlin, das kann sie doch nicht sausen lassen.
    Karl von Kahn wollte Vorstellbares über Strabanzer wissen, wagte aber nicht, direkt zu fragen. Also fing er an, von Strabanzer zu schwärmen. So erfuhr er, Theodor komme zurück, während sie in Berlin sei. Ob sie sich nach Strabanzer sehne.
    Das sei nicht ihre Sprache.
    Er ist doch dein …
    Mein Einundallesundobenunduntenundhintenundvorn! Dann rief sie noch: Reicht’s?
    Schade, sagte Karl.
    Du willst nur wissen, sagte sie, ob Theodor mich vernascht, wenn wir beide wieder in der Stadt sind.
    Genau das, sagte Karl. Er wollte sagen, das klinge, als bedauere Joni, daß Strabanzer sie nicht vernasche.
    Aber sie sagte gleich, sie müsse jetzt auspacken. Für eine Neuntagereise brauche sie soviel Klamotten wie andere für ein ganzes Jahr.
    Sie legte auf. Er starrte noch eine Zeit lang auf die Fassadenwildnis der Vereinsbank , dann verließ er, obwohl er der letzte war, die Firma so leise, als wolle er niemanden stören.
    Als er zu Hause eintrat, merkte er, daß er sich nicht vorbereitet hatte. Nur mit Joni hatte er sich beschäftigt. Helen begrüßte ihn gleich mit Vorwürfen. Früh, früher, am frühesten habe er kommen wollen …
    Und, sagte Karl, alle Heftigkeit abwiegelnd, wo ist er? Da!
    Helen war begierig, ihm vorzulesen, was sie heute geschrieben hatte. Der erfolgreiche Patient kommt in die Warteschleife, ihr Referat für den Traum-Kongreß im September ist jetzt wichtiger als alles. Erstens wimmelt’s da von Koryphäen, zweitens jede Menge Medienmenschen, drittens weiß sie, daß sie etwas zu sagen hat, was außer ihr keiner und keine sagen kann.
    Gekocht hat sie schon, Broccoli mit Karottenwürfeln und gerösteten Pinienkernen, durchwirkt vom Zitronensaft, dazu Kurkuma-Nudeln mit gartenfrischem Salbei und ebenso gartenfrischen Kapuzinerkresseblüten. Das alles wartet im Garer bis acht. Aber daß ihr das Vorlesen so leichtfalle wie ihrem Süßen das Zuhören, tunken sie und er vorerst ihre Röstbrote in die Schale, gefüllt mit Helens Basilikum-Pesto. Zum Trinken einen Quittenmost, von ihr selbst gepreßt.
    Er wurde in der Küche, die zehnmal so groß war, wie jetzt Küchen sind, auf die gepolsterte Bank bugsiert.
    Ihr Referat werde, falls ihr Süßer, den Süßer zu nennen sie heute nicht mehr lassen

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