Angstfalle
historischen Krimi und einen leuchtend roten Weihnachtsstern.
Ihr Haus lag verträumt im Schnee, als sie voll bepackt heimkam. Sie empfand Besitzerstolz. Das Gebäude war im Wilhelminischen Baustil um die Jahrhundertwende erbaut worden. Majestätisch ragte es aus der Schneelandschaft empor. Schon seit Generationen befand es sich im Familienbesitz. Sie würde wohl die Letzte ihres Stammes sein, wenn es ihr nicht gelingen sollte, einmal eine eigene Familie zu gründen. Die Fassade schmückte ein Erker auf der rechten Seite, hohe Fenster bezeugten den Baustil einer längst vergessenen Zeit. Die Backsteinwand des Kellergeschosses wirkte wie ein Farbtupfer im ansonsten grauen Anstrich. Die stufenweise abgesetzte, erste Etage und das runde Giebelfenster des Dachgeschosses verliehen dem Haus eine persönliche Note.
Sie wollte gerade aufschließen, als sie auf der rechten Seite, dicht vor dem Kellereingang, einen Schneemann erblickte. Wie kam der dahin? Beim Verlassen des Hauses hatte sie nichts bemerkt. Außerdem sah er seltsam aus. Er trug einen schwarzen Zylinder, seine Nase bestand aus einem krummen Stück Holz und der Mund war eine Bananenschale, die die Mundwinkel nach unten zog. Nichts an ihm wirkte spaßig. Er kam ihr viel mehr wie eine Anspielung vor. Eine Plastiksense war durch ihn hindurch gebohrt, was Trixi schaudern ließ. Am Boden lag etwas Rotes. Erst als sie genauer hinsah erkannte sie, dass es Rosenblätter waren.
Kopfschüttelnd betrat sie das Haus. Vom Wohnzimmerfenster aus stellte sich der Schneemann noch bedrohlicher dar. Sie sah nur einen Zylinder, darunter die Sense und am Boden den dunkelroten Kreis, der von ihrem Standpunkt aus wie eine Blutlache schien. Kurzerhand beschloss sie, das beunruhigende Gebilde zu entfernen und setzte ihren Entschluss sofort in die Tat um.
Die Sense war ein Kinderspielzeug und wohl für Fastnacht gedacht. Der Zylinder war echt. Sie packte alles zusammen und verstaute die Utensilien in einer alten Holzkiste. Heute war Heiligabend, da wollte sie nicht schon wieder zur Polizei gehen. Ihre Beweise hatte sie gesichert. Sie verriegelte die alte, morsche Kellertür und rieb sich zufrieden die Hände.
Diesem Abend sah sie mit Grauen entgegen. In den letzten Jahren war Weihnachten für sie zum langweiligsten und längsten Ereignis des Jahres geworden. Sie war bestimmt die Einzige, die sich freute, wenn alles vorbei war. Seufzend ließ sie sich auf dem Sofa nieder, wo sie den roten Weihnachtsstern im Blickfeld hatte, der den kleinen Beistelltisch schmückte. Gerne lag sie auf dieser gemütlichen, alten Ruhestätte, dort fühlte sie sich geborgen. Für die einsamen Stunden sollte ihr der Fernseher ein Trost sein.
Ein Klopfen weckte sie. Sie fuhr hoch. Ihr Herz schlug wie wild. Als sie sich umsah, stellte sie fest, dass es schon dunkel war. Wie lange hatte sie geschlafen?
Wieder klopfte es.
Das Geräusch kam vom Wohnzimmerfenster, wie sie jetzt mit Schrecken feststellte. Sah sie richtig? Dort hing der mit einer Lichterkette beleuchtete Nikolaus, der kurzzeitige Hausschmuck, den Roland wieder entfernt hatte. Aber etwas stimmte nicht mit der Puppe. Sie wirkte verändert. Sie öffnete das Fenster und schaute genauer hin. Erschrocken wich sie zurück. Dem Weihnachtsmann waren die Hosen heruntergelassen worden und heraus lugte hinten ein blanker Po und vorne das detailgetreu imitierte Geschlechtsteil eines Mannes. Übergroß ragte es hinaus. Der rote Geselle schaute in das Zimmer hinein und grinste hämisch, als wolle er sie auslachen. Leicht schaukelte das Arrangement im Wind und das Geschlechtsteil pochte gegen die Fensterscheibe.
Trixi wollte den Rollladen herunterlassen, da sah sie, dass etwas auf seine Brust geschrieben war: ›Frohes Fest!‹, las sie.
Schade, dass sie keinen Fotoapparat besaß. Sie hatte diese Anschaffung immer wieder hinausgeschoben – jetzt rächte sich das.
Hinausgehen und nachsehen, wie die hässliche Puppe am Fenster angebracht worden war, wollte sie auf keinen Fall. Was tun, wenn sie ihrem Verfolger in die Arme lief? Nein, das war zu gefährlich. Also beschloss sie die Schnur, an der die Puppe hing mit einer Schere zu durchtrennen. Mit einem lauten Plumpsen landete sie im Hof. Die Überreste konnte sie am nächsten Tag einsammeln.
Sie wärmte sich ein Fertiggericht auf und blätterte in der Programmzeitschrift. Zum Glück lief: Ist das Leben nicht schön – zwar schon zum wiederholten Mal – aber trotzdem immer noch ein Erlebnis. Anschließend
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