Angstfalle
Welcher Mann entwickelte sich normal, der sein Leben unter der Knute seiner besitzergreifenden Mutter fristete?
Aber entschuldigte ihn das auch?
»Du bist so ruhig«, unterbrach er seine Rede. »Was ist los?«
»Ich kann wenig dazu sagen.«
»Oh entschuldige! Ich habe ganz vergessen, dass deine Mutter tot ist.« Rolands Wangen wurden rot vor Verlegenheit. So hatte Trixi ihn noch nicht gesehen. Die Röte stand in einem grotesken Kontrast zu seiner bleichen Gesichtsfarbe.
»Ich werde in Zukunft besser aufpassen, was ich sage.«
»Halb so schlimm«, wehrte Trixi ab.
Ein Schweißfilm bildete sich auf seiner Stirn. Die dünnen, blonden Ponyfransen hingen strähnig herab.
»Nein, nein! Das war unverzeihlich von mir. Ich will dich für mich gewinnen. Das schaffe ich nicht, indem ich dir Dinge erzähle, die dir wehtun.«
»Ich staune, wie hartnäckig du bist. Einmal versuchst du es mit Nettigkeiten, dann mit Bosheiten. Was versprichst du dir davon?«
»Meine Güte, ich wollte das nicht«, reagierte Roland entsetzt.
»Ich rede von den Dingen, die du vor mein Haus legst, hängst oder …«, wollte Trixi genauer werden, doch Roland unterbrach sie: »Damit will ich dir nur eine Freude machen.«
»Ich habe den Psychoterror satt. Lass mich einfach in Ruhe!«
»Psychoterror«, prustete Roland los. »Ich liebe dich und bin mir sicher, dass wir beide füreinander bestimmt sind. Ich will dich heiraten, damit wir für immer zusammen sein können. Irgendwie muss ich dir doch meine Liebe beweisen.«
»Das ist nicht dein Ernst!«
»Doch. Ich bin immer ehrlich zu dir. Niemals käme mir in den Sinn, dir etwas vorzumachen. Willst du mich heiraten?«
Trixi schnappte nach Luft: »Nein. Lebe du dein Leben und ich meines.«
»Aber alles, was ich tue, geschieht nur zu deinem Besten.«
»Ich weiß selber, was gut für mich ist«.
»Was soll ich denn tun?«
»Mich in Ruhe lassen!«
»Aber, ich will doch mit dir zusammen sein«, jammerte Roland. Die Röte zog sich nun über sein gesamtes pausbackiges Gesicht. Trixi kannte ihn nur kränklich weiß, sodass sein Anblick sie erschreckte.
»Was ich will, interessiert dich dabei nicht, was?«
Eine Weile schwiegen sie sich an. Roland spielte nervös mit seiner Serviette, rupfte daran herum, bis seine Seite des Tisches mit Papierfetzen übersät war. Als Trixis Blick darauf fiel, lachte sie. Er stimmte erleichtert in ihr Lachen ein.
»Wenn wir einmal zusammen sind, wirst du schnell merken, wie schön es ist«, schwärmte er, als die Bedienung den Tisch abgeräumt hatte.
Trixi spürte, dass sie so nicht weiterkamen.
»Was tun wir jetzt?«, fragte er doch tatsächlich tatenfreudig.
»Ich gehe einkaufen«, antwortete Trixi.
Sie wollte gerade noch das Wort »allein« anfügen, als Roland mit einem Gesichtsausdruck, als habe er Essig getrunken, sagte: »Jetzt noch? Heute ist Heiligabend. Du bist ein bisschen spät dran.«
»Ja und?«
Hastig stand Trixi auf, verabschiedete sich und verließ das Bistro. Vorsichtig überquerte sie die verschneite Bahnhofstraße und betrat einen Laden, der schon im Schaufenster die tollsten Schnäppchen anbot. Während sie durch die Räume schlenderte, spürte sie, wie die Anspannung von ihr abfiel. Sie schaute sich um. Von Roland keine Spur. Sie bummelte weiter zu einem großen Warenhaus und ließ sich in der Lebensmittelabteilung von den köstlichen Speisen verlocken. Sie kaufte mehrere leckere Kleinigkeiten, bis ihr bewusst wurde, dass sie wieder einmal alleine essen würde.
Da stand sie in der Menschenmenge und fühlte sich einsam. War es wirklich ein Vorteil, wenn man niemanden hatte? Sie fühlte plötzlich eine große Leere in sich. Einerseits wirkten diese Menschen gestresst und nicht gerade glücklich, aber andererseits hatten sie jemanden, dem sie eine Freude machen und den sie beschenken konnten. Das war etwas, was sie nicht hatte.
Oder doch?
Ihre Freundin Käthe fiel ihr ein. Natürlich. Zwar hatten sie sich noch nie etwas geschenkt, aber sie konnte den Anfang machen. Es war schon reichlich spät, aber eine Kleinigkeit fand sie sicher noch.Was könnte der Freundin gefallen? Sie schlenderte eine Weile umher, bis sie auf ein Sortiment von flauschigen Pantoffeln stieß. Damit könnte sie gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? Zum einen bekäme Käthe keine kalten Füße mehr bei ihr, zum anderen könnte sie es als Einladung verstehen, sie öfter zu besuchen.
Für sich selbst erstand sie noch zwei flauschige Pullover, einen
Weitere Kostenlose Bücher