Angstfalle
mehr. Ihre Verfassung fällt jedem auf, der mit Ihnen zu tun bekommt.«
»Ich habe Polizeihauptmeister Hollmann schon gesagt, dass ich nicht unter psychischem Stress leide«, entgegnete sie wütend. »Warum verzapft er diesen Mist?«
»Nicht so garstig meine Liebe. Ich meinte es eben ernst, als ich Ihnen eine Psychotherapie empfohlen habe. Sie wirken nervös und gereizt.«
Nun bekam sie wirklich Angst. Trixi verabschiedete sich und eilte aus dem Gebäude. Mit zitternden Knien machte sie sich auf den Heimweg.
Der Schnee war auf den Gehwegen braun durch das Granulat, das gegen die Glätte gestreut wurde. Er schmolz zu einer matschigen, rutschigen Masse. Kleine Schneeflocken wurden ihr durch den Gegenwind ins Gesicht geblasen; sie fühlten sich wie kleine Pfeilspitzen an.
Der Kampf gegen die Naturgewalten kam Trixi gerade recht. So konnte sie ein wenig Abstand zu den letzten Minuten im Büro der Kriminalpolizeiinspektion gewinnen. Die Worte des Kommissars hatten sie beunruhigt. Er glaubte ihr nicht, aber nicht nur das, er stempelte sie als Spinnerin ab.
Als sie endlich wieder zu Hause war, fühlte sie sich so erschöpft, als sei sie einen Marathon gelaufen. Von einem Schneemann war nichts zu sehen. Vielleicht hatte sie ja Glück, und Roland gab sein makaberes Spiel wieder auf.
Drinnen ließ sie Winterjacke und Stiefel einfach auf den Boden fallen. Langsam schlurfte sie durch den langen Flur auf das Badezimmer zu. Sie drehte sich um und schaute gebannt zur Eingangstür zurück. Dort lag doch etwas. Sie spürte, wie ihr schwindelig wurde. Leider konnte sie nicht erkennen, was es war, weil es teilweise von ihrer Jacke bedeckt wurde. Sollte sie nachsehen oder das heiße Bad nehmen, von dem sie sich Entspannung ersehnte?
8
Der zweite Weihnachtstag brach an und mit ihm rückte die Zeit der Rückkehr ins Krankenhaus näher. Anke hatte sich so gut eingelebt, dass sie Angst davor hatte, diese Vertraulichkeit gegen das unpersönliche Krankenhaus einzutauschen.
»Mach dir keine Sorgen.« Martha legte Anke tröstend die Hand auf die Schultern. »Du musst erst morgen früh nach dem Frühstück wieder zurück. Bis dahin wollen wir die Stunden noch genießen. Und dann dauerte es nicht mehr lange, bis das Kind da ist.«
Martha hatte recht. Ihr Termin war Ende Januar. Diese Zeit würde sie auch noch durchstehen.
Nach dem reichlichen Frühstück setzten sie sich wieder zusammen und plauderten. Martha zog Wolle und Stricknadeln heraus und begann mit flinken Händen zu stricken.
»Was wird das?«
»Das wird ein Jäckchen für Lisa.«
Kullmann kam mit einem Stapel Holz herein. Er füllte den Kamin, damit das Feuer richtig prasseln konnte. Sofort breitete sich behagliche Wärme aus.
»Es ist schön, in der kalten Jahreszeit im Warmen sein zu können.« Kullmann rieb sich die Hände, bevor er sich zwischen den Kissen auf dem Plüschsessel vor dem Couchtisch niederließ.
Anke legte sich auf dem Sofa vor dem Kamin gemütlich zurück, weil sie ahnte, dass er wieder von seinem Vater erzählen wollte.
Und so geschah es auch. Eine Weile schaute Kullmann ins Feuer, bis er endlich zu sprechen begann: »Mein Vater hatte in Russland eine Kälte erlebt, von der wir in unseren Breitengraden immer verschont bleiben werden. Bei minus vierzig Grad lag er mit seinem Karabiner in einem Schützengraben. Das Bild, das sich vor seinen Augen bot, hat mein Vater zeit seines Lebens nicht mehr vergessen können. Es war die reinste Schneewüste.«
Ankes Blick fiel auf das Fenster. Schneeflocken fielen herab. Selten hatte sie eine weiße Weihnacht im Saarland erlebt. Dieses Jahr war es außergewöhnlich kalt. Umso schöner war es für sie, vor dem wärmenden Feuer des Kamins zu liegen, in eine flauschige Wolldecke eingekuschelt.
Aber Kullmanns Schilderungen brachten sie zum Frösteln. Es war unvorstellbar für sie, dass Menschen unter solchen Bedingungen überleben konnten.
Kullmann hielt seinen Blick auf das Kaminfeuer gerichtet. Es knisterte und brachte anheimelnde Atmosphäre in das große Wohnzimmer.
Marthas Stricknadeln klapperten.
»Wenn du so schnell weiterstrickst, muss Lisa sich beeilen, dass sie in den Genuss kommt, das schöne Jäckchen auch zu tragen«, stellte Anke fest.
»Lass dem Kind nur alle Zeit, die es braucht. Ich kann ja noch ein weiteres Jäckchen stricken.«
Am Nachmittag klingelte es.
Überrascht schauten sie sich an.
»Ich sehe mal nach. Bei der Kälte sollte man niemanden draußen stehen lassen«, mit diesen
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