Angstfalle
Selbst ist die Frau! Klar und deutlich kam ihr wieder der Kampfruf aus Kindertagen ins Gedächtnis. Leider war sie heute allein. Weder Chantal noch Käthe konnten ihr beistehen. Deshalb vertraute sie auf ihre neue Anschaffung. Damit musste es ihr gelingen, sich auch ohne den sicheren Schutz einer Gleichgesinnten dem Kampf zu stellen. Obwohl ihr Herz bei der Vorstellung wild zu klopfen begann, war sie erleichtert, sich mit diesen Gedanken von ihren beklemmenden Gefühlen ablenken zu können.
Lebhaft erinnerte sie sich daran, wie turbulent ihr Leben war. Immerzu erfand sie neue Streiche, um anderen das Leben schwer zu machen. Diese Lebenserfahrung kam ihr jetzt günstig zu Hilfe; nämlich einen Plan gegen den Widersacher auszuhecken. Zeit zu hadern blieb ihr nicht.
Mit dem Kopf voller chaotischer Pläne schaffte Trixi den weiten Weg nach Hause.
Dort angekommen, war die tote Ratte verschwunden. Hatte Roland Berkes damit gerechnet, dass sie Erfolg haben könnte bei der Polizei? Denn das würde erklären, warum der Kadaver verschwunden war. Sie schaute in der Mülltonne nach, dort war er auch nicht. Hoffentlich war er nicht im Haus.
Sie schaute in jedem Zimmer nach. Nichts. Das beruhigte sie. Todmüde durch die unruhigen Nächte der letzten Zeit schlurfte sie ins Schlafzimmer, zog sich ihren warmen Pyjama an und legte sich ins Bett. Aber an Schlaf war nicht zu denken. Bis spät in die Nacht lag sie wach, starrte in die Dunkelheit und versuchte zu verarbeiten, was im Büro der Polizei passiert war. Dabei ärgerte sie sich maßlos über sich selbst. Sie ahnte, dass sie sich damit nur geschadet hatte.
Plötzlich hörte sie ein leises Knacken. Sie zuckte zusammen vor Schreck, drehte ihren Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Sofort erkannte sie hinter dem Schlafzimmerfenster ein kleines Flämmchen, als zündete sich jemand ein Feuerzeug an. Deutlich zeichneten sich hinter dem kurzen Aufblitzen die Umrisse eines Mannes ab, der am Berghang saß. Sollte dieses grausame Spiel niemals ein Ende finden?
Auch die nächsten Tage begannen unausgeschlafen. Die Nächte verbrachte sie in Angst und Schrecken. Von Roland Berkes sah und hörte sie nichts.
Im Januar stiegen die Temperaturen wieder an. Es war regnerisch und windig. Trixi fuhr täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit, kam jedes Mal zerzaust und durchnässt im Salon an. Die erste Tat des Tages war das Trockenfönen und Frisieren ihrer Haare.
Fritz Lörsch kam regelmäßig mit neuen Lieferungen. Trixi hoffte, dass er sie eines Tages zum Essen einladen würde, aber Fritz hielt sich mit seinen Annäherungsversuchen zurück. Es war wie so oft im Leben, dachte Trixi enttäuscht, wenn er den Salon verließ: Derjenige, den sie wollte, hatte kein Interesse an ihr, derjenige, den sie ablehnte, verfolgte sie.
12
Als Trixi nach Hause kam, lag auf dem Flurboden ein Brief – unter der Tür hindurchgeschoben. Missmutig öffnete sie ihn. Er war von Roland Berkes.
Mit schwülstigen Worten gestand er ihr seine Liebe und dass er nach seiner Untersuchungshaft Zeit gebraucht habe, das albtraumhafte Erlebnis zu verarbeiten.
Klar, dachte Trixi, indem er ihr eine Ratte schenkte.
Aber nun ginge es ihm wieder besser.
Wenigstens einer, der von diesen makabren Scherzen profitierte. Trixi wurde immer wütender.
Er wollte sie zum Essen einladen.
Roland würde niemals aufgeben, würde sie quälen bis an ihr Lebensende. Diese Erkenntnis entmutigte sie, und die Aussichtslosigkeit bedrückte sie. Lange verharrte sie in den weichen Kissen, fühlte sich matt und zu nichts fähig. Dabei wollte sie gar nicht aufgeben. Aber sie war nahe dran, bis ihr schlagartig eine Idee durch den Kopf schoss.
Sie würde sich nicht zum Essen einladen lassen, sondern selbst einladen. Roland würde dieser Einladung folgen, dessen war sie sich sicher.
Sie kannte seine Adresse. Er wohnte in Saarbrücken-Gersweiler, genau am entgegengesetzten Ende der Stadt. Also setzte sie sich an ihren Computer und schrieb einen Brief, den sie am nächsten Morgen einwarf. Auch den Posteingang checkte sie gewohnheitsmäßig, aber er war leer. Sogar die üblichen Werbemails waren nicht dabei. Hätte sie seine Mailadresse gewusst, hätte sie diesen Weg genutzt, so musste der herkömmliche Postweg herhalten.
Am Samstagmorgen tauchte Roland im Salon auf. Er war blass, seine Haut wie immer voller Pickel, sein Haar strähnig, aber seine Augen strahlten, als er Trixi sah.
»Ich möchte mich frisieren lassen«, erklärte er
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