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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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marschierten sie zum Wagen, gerade als Polly die Treppe ihres Wohn-Schlaf-Zimmers herunterkam. Sie hatte zwei gekühlte Flaschen Champagner in den Händen.
    »Oh, wow«, sagte Gareth leise.
    »Zwei Dumme, ein Gedanke!«, rief Polly.
    Sie trug ein Kleid, das dem von Rose sehr ähnlich war. Der entscheidende Unterschied bestand darin, dass Pollys Kleid Größe vierunddreißig hatte, während das von Rose eine groß ausfallende zweiundvierzig war. Genau wie Roses Kleid war auch Pollys oben auf Figur geschnitten, hatte einen weitfallenden Rock und ein Rosenmuster, allerdings lugten zwischen den Rosen – typisch Polly – kleine weiße Totenköpfe hervor, um deren Augenhöhlen sich die Rosenstiele rankten.
    Die Champagnerflaschen hoch erhoben, drehte sich Polly einmal im Kreis, und Rose sah die Tattoos auf ihrer Schulter. Links eine Rose, rechts ein Totenschädel – sie waren perfekt auf das Kleid abgestimmt.
    Rose war dabei gewesen, als Polly sie sich mit Anfang zwanzig eines Abends in einem zwielichtigen Tattoostudio in Streatham hatte stechen lassen. Die Idee war ihrem Kokainrausch entsprungen, und ursprünglich hatte sich Rose die gleichen Motive stechen lassen wollen. Sobald ihr jedoch klargeworden war, welche Schmerzen damit verbunden waren, hatte sie einen Rückzieher gemacht. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie sie ihren Sinneswandel zum Ausdruck gebracht hatte, indem sie erst in Ohnmacht gefallen war und sich danach auf dem Studiofußboden übergeben hatte.
    »Man beachte, wie Kleid und Körper miteinander harmonieren«, meinte Gareth, der Polly – scheinbar mit rein künstlerischem Interesse – taxierte.
    »Ich hole die Kühltasche für die Flaschen«, sagte Rose. »Gareth, kannst du Flossie jetzt bitte ins Auto setzen?«
    *
    Nachdem Rose sich vergewissert hatte, dass alle angeschnallt waren, ging es los. Die Kinder winkten Gareth zum Abschied, bis sie um die Kurve herum auf die Straße einbogen und er aus ihrem Blickfeld verschwand.
    Die Badestelle war eine Wiese am Flussufer, auf der ein paar Hütten standen. Sie lag etwa vier Meilen flussabwärts jenseits des Nachbardorfs und wurde von einem privaten Verein instand gehalten, dem Rose und Gareth, wie die meisten ihrer Nachbarn, angehörten. In einer Gegend ohne Zugang zum Meer bot der Fluss eine willkommene Abkühlung an heißen Tagen. Obwohl der Badeplatz zu dieser Jahreszeit normalerweise noch geschlossen war, hatte der Verein einige Tage zuvor in der Schule Zettel verteilen lassen, auf denen angekündigt wurde, dass er wegen des ungewöhnlich guten Wetters am Wochenende ausnahmsweise geöffnet haben würde. Rose hatte sich gefreut, als sie die Benachrichtigung gelesen hatte. Sie liebte es, in freier Natur zu schwimmen. Das Meer war das Einzige, was sie aus ihrer Kindheit in Brighton vermisste. Damals war sie so gut wie jeden Tag und bei jedem Wetter geschwommen.
    Sie parkte den Wagen auf dem Kiesplatz vor dem Zugang zur Wiese. Anna und die Jungs stießen die Türen auf und rannten davon.
    »He, ihr, nicht so hastig!«, rief Polly. »Helft Rose beim Tragen!«
    Die Kinder stöhnten zwar, kamen aber zurück und standen ungeduldig vor dem Kofferraum herum, so dass sie Rose eher im Weg waren, als ihr eine Hilfe zu sein.
    Rose öffnete die Heckklappe und reichte den Picknickkorb, die Kühltasche, eine Decke, die Tasche mit dem Schwimmzeug und zwei Schwimmreifen heraus. Dann hängte sie sich Flossies Babyschale in die Armbeuge, stützte sie auf der Hüfte ab und reichte Polly das, was sie gemeinhin als »Strandtasche« bezeichnete. Schwer beladen kletterten sie über die hölzerne Absperrung und stapften durchs Gras zum Fluss. Die Stelle war ideal zum Baden. Für die Kinder gab es vorn einen flachen Nichtschwimmerbereich. Er wurde von einem Wehr eingefasst, das die Kleinen daran hinderte, ins Tiefe hinüberzuklettern, und den Größeren gleichzeitig als moosbewachsene Wasserrutsche diente. Jenseits lag das kalte, offene Wasser, das für die ehrgeizigeren unter den Schwimmern eine angemessene Herausforderung bot. Der Fluss war an dieser Stelle recht breit – etwa dreißig Meter – und damit ideal zum Bahnenschwimmen.
    Der Boden war aufgeweicht vom Regen der vergangenen Nacht und federte unter ihren Füßen wie noch nicht ganz erkalteter Pudding. Allerdings war die Sonne mittlerweile so heiß, dass die Feuchtigkeit rasch verdunstete. Die Luft war angefüllt von einem feuchtwarmen Erdgeruch, der, wäre Rose auf dem Land aufgewachsen, einen Hauch

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