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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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ihr wunderschönes Heim endlich mit der Vollkommenheit zu beseelen, für die es von Anfang an bestimmt gewesen war.
    Sie bückte sich und öffnete die Ofentür des AGA, um nach den Fleischklößchen zu sehen, die fett und saftig in ihrer roten Sauce köchelten. Sie zerrupfte ein paar Basilikumblätter, tauchte sie in Olivenöl und streute sie darüber, bevor sie die heiße, schwere Tür wieder zuklappte und verriegelte. Sie war also doch nicht völlig aus der Übung. Durch diese Erkenntnis ermutigt, backte sie einen großen Vorrat an Haferkeksen, um die leeren Keksdosen aufzufüllen.
    Nach getaner Arbeit schenkte sie sich ein großes Glas guten Rotwein ein. Sie stand in der Küche, den Blick auf das Nebengebäude gerichtet, und genoss das Bukett von schwarzen Johannisbeeren und Vanille, das ihr den Hals hinabwanderte und ihren Bauch mit Wärme füllte. Es war ein wunderschöner Abend. Hinter ihr sank die Sonne tiefer und tauchte den Himmel im Osten in leuchtendes Rosa. Hier und da waren winzige Wolkentupfer zu sehen. Ein Tiepolo-Himmel, dachte sie und rechnete fast damit, dass dicke kleine Putten herabgeflogen und durch den Garten in die Küche gepurzelt kämen, um ihr beim Auftragen des Abendessens zu helfen.
    Je länger sie aus dieser neuen Perspektive über die Fahrt nach Brighton nachdachte, desto mehr wurde sie von einem Gefühl der Ruhe erfasst, das seine sanfte Hand über den Aufruhr in ihrem Inneren legte, der dort seit nunmehr zwei Wochen brodelte.
    Die Hintertür öffnete sich. Gareth war früher als erwartet zum Abendessen erschienen. Seine Haare waren zerzaust, die Kleider staubig und voller Flecken. Er stand auf der Schwelle und blickte auf eine derart hektische Art um sich, dass Roses Ruhe im Nu dahin war.
    »Hallo, Schatz. Hattest du einen schönen Tag?«, fragte sie in ihrer besten Doris-Day-Stimme.
    »Haben wir noch eine Sicherung?«, erkundigte er sich.
    »In der Schublade neben der Waschmaschine«, sagte sie und zeigte auf die Kammer, als wüsste er nicht, wo sie war.
    »Scheiß neue Kaffeemaschine. Totaler Schrott«, knirsch-te er.
    Mist, dachte sie.
    »Ich gehe nach unten, lechze nach meinem Kaffee, und was passiert? Das Teil furzt einmal – puff –, und das war’s. Ich probiere es mit einer neuen Sicherung; wenn das nichts bringt, schicke ich das Scheißding zurück.«
    »Dann hast du heute überhaupt noch keinen Kaffee getrunken?«, fragte sie. »Wie hast du das bloß ausgehalten?«
    »Mit Whisky.« Er grinste.
    »Aha.«
    »Scheiße, fang jetzt bloß nicht damit an.« Er ging an ihr vorbei und verschwand in der Kammer, wo sie ihn in der Schublade herumkramen und fluchen hörte.
    »Das Abendessen ist gleich fertig«, sagte sie.
    »Ich nehme die hier nachher mit runter und versuche mein Glück«, erklärte er und legte die Sicherung und einen Philips-Schraubenzieher auf die Anrichte.
    »Nico, kannst du rüberlaufen und deine Mum holen?«, rief Rose in Richtung Wohnzimmer. Nico, ihr kleiner Goldjunge, war mit einem Satz auf den Beinen, streifte sich die Turnschuhe über und rannte die Stufen zu Pollys Schlupfwinkel hinauf.
    Sie wusste nicht, warum er sich heute solche Mühe gab, es ihr recht zu machen, aber es gefiel ihr.
    »Anna und Yann, wärt ihr so lieb und könntet kellnern?«
    Die zwei kamen sofort angelaufen und fingen an, den Tisch zu decken. Rose war so stolz auf sie, als wären sie tatsächlich wie kleine goldene Engel auf dem Sonnenuntergang herbeigeschwebt. Vielleicht lag es am Wein, aber sie setzte große Hoffnungen in den Verlauf des Abends.
    Gareth ließ sich am Tisch nieder und schenkte sich ebenfalls ein Glas voll. Sie betrachtete seine aufgelöste Erscheinung und fragte sich, wie viel Whisky er im Laufe des Nachmittags wohl getrunken hatte.
    »Aber im Ernst, wie läuft es denn mit deiner Arbeit?«, wollte sie wissen, während sie einen Salatkopf, den sie aus dem Frühbeet geholt hatte, in die Salatschleuder zupfte.
    »Ich komme gerade ein bisschen vom Eigentlichen ab«, sagte er, den Blick in sein Glas gerichtet. »Meine Zeichnungen – mir ist klargeworden, dass ich in der letzten Zeit nicht genau genug hingeschaut habe – eigentlich sogar die ganzen letzten Jahre über, wegen des Umbaus und allem –, deshalb wende ich mich jetzt wieder der Welt da draußen zu, und ich zeichne und zeichne. Um meinem Hirn ein bisschen Erholung zu gönnen, verstehst du? Die Synapsen durchzupusten.« Seufzend rieb er sich die Augen. »Um ganz ehrlich zu sein, bin ich ein bisschen

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