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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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Reaktion ihrer Mutter, die nach deren Maßstäben fast einem Wutausbruch gleichkam. Sie stieg aus dem Bett, schlüpfte in ihre Hausschuhe und zog sich den Bademantel an. All das tat sie mit großem Bedacht, so als wolle sie ihrer Mutter unbedingt zeigen, was für ein braves Mädchen sie war.
    Rose tat es ein wenig leid, und sie fügte hinzu: »Du könntest mir helfen, indem du mit deiner Schwester spielst.«
    »Na klar.« Anna war sichtlich erleichtert darüber, dass ihre Mutter ihr wieder wohlgesinnt war.
    Auf der Treppe musste Anna aufpassen. Es war nicht leicht, mit nur einem Auge die Entfernungen richtig einzuschätzen. Rose hielt ihre Hand und half ihr die Stufen hinunter.
    Als sie die Küche betraten, kamen Nico und Yannis gerade vom Einkaufen zurück. Sie liefen die Stufen zur Haustür hinunter und schwangen den Korb zwischen sich hin und her. Wie so oft zankten sie sich, aber ihren Mienen nach zu urteilen, war es diesmal ausnahmsweise nichts Ernstes.
    Sie kamen in die Küche geplatzt, und eine Welle jungenhafter Energie schwappte mit ihnen durch die Tür. Nico stellte den Korb auf den Tisch und fischte den zerknüllten Einkaufszettel aus seiner Hosentasche.
    »Ein Kilo Bio-Lammgehacktes – check. Zwiebeln, Knoblauch, Rhabarber, Spaghetti, Dosentomaten – nur von Napolina –, frischer Parmesan, fettarme Biomilch, einen Becher Crème double, Haferflocken und ein Dutzend Bio-Freilandeier – check. Aber Maldon-Meersalz hatten sie nicht, deswegen hab ich normales Tafelsalz genommen. Ich hoffe, das ist okay.«
    »Das ist gar kein Problem, Nico, vielen Dank«, sagte Rose. Natürlich war Tafelsalz nicht dasselbe wie Meersalz, aber Nico hatte die Situation abgewägt und eine Entscheidung getroffen. Sie freute sich, dass er Eigeninitiative bewiesen hatte. Gareth hätte an seiner Stelle höchstwahrscheinlich überhaupt kein Salz mitgebracht.
    »Hier ist das Wechselgeld, Rose«, erklärte Yannis und häufte einen kleinen Berg Münzen auf den Tisch. »Sieben Pfund und einunddreißig Pence.«
    Rose betrachtete die beiden Jungen, und wo sie kurz zuvor an sich und ihren Töchtern nur Fehlendes, Schadhaftes wahrgenommen hatte, sah sie in ihnen nichts als das Potential für Tugend und Wachstum. Wenn es etwas gab, an das sie sich klammern konnte, dann waren es diese zwei mageren Bengel.
    »So, und jetzt ab mit euch. Geht spielen, während ich das Essen mache.«
    Rose bereitete Fleischklößchen in Tomatensauce zu, und ganz allmählich stellte sich zwischen ihr und der Küche wieder eine Vertrautheit ein, als wäre es die Küche des Hauses, in dem sie aufgewachsen und in das sie nun zurückgekehrt war.
    In Wirklichkeit wäre es gar nicht möglich gewesen, in ihr altes Haus zurückzukehren; es war schon vor langer Zeit verkauft worden, unmittelbar nachdem ihre Eltern sie auf die Straße gesetzt und sich von ihr losgesagt hatten. Und man siehe, was aus ihr geworden war. Sie wünschte sich, die beiden wären noch am Leben, dann hätte sie ihnen alles zeigen können – ihr Haus, ihren Garten, ihr Leben. Fingerdick hätte sie es ihnen aufs Brot geschmiert.
    In den letzten Jahren ihrer Eltern hatte sie mit ihnen einen oberflächlichen Waffenstillstand geschlossen. Der Auslöser dafür war Annas Geburt gewesen. Ein Kind, das von allen Beteiligten gewünscht war, hatten ihr Vater und ihre Mutter akzeptieren können. Die unfassbare Bigotterie dieser Einstellung hatte einen brennenden Zorn in Rose entfacht. Selbst jetzt noch, nachdem so viel Zeit vergangen war, hatte sie das Gefühl, als würde eine geballte Faust in ihrem Inneren zurückgezogen, wie die Feder am Auslöser eines Flipperautomaten. Diese Faust konnte jeden Augenblick losgelassen werden, und dann würde ihnen alles um die Ohren fliegen.
    Sie fragte sich, ob die Idee, nach Brighton zu fahren, vielleicht so indiskutabel war, dass sie sich würde weigern müssen mitzukommen. Aber was auf den ersten Blick wie eine Bedrohung aussah, konnte auch Chancen bergen. Zum einen wäre es vielleicht tatsächlich befreiend, sich – in Pollys unerträglichem Psychojargon – den Dämonen der Vergangenheit zu stellen . Und darüber hinaus gab es noch einen ganz pragmatischen Grund, nämlich dass die Reise ihr die ideale Gelegenheit bieten würde, mit Polly zu sprechen und erste Schritte einzuleiten, sie aus ihrem Leben zu verbannen. Die Reise konnte ein Neubeginn werden, der es ihrer Familie – und, wenn sie es geschickt anstellte, vielleicht auch den Jungs – ermöglichte,

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