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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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musst sie mit Kissen stützen, sonst fällt sie um.«
    Gareth ging ins Wohnzimmer, um ein paar Kissen zu holen. Er war bereits mehrere Minuten weg, als Flossies Oberkörper sich, wie von Rose vorhergesehen, nach links neigte. Sie kippte auf die Seite und schlug sich den Kopf am Steinboden an.
    »Gareth!« Rose lief zu Flossie, um sie hochzunehmen. Die Kleine war einen Moment lang ganz stumm – vor Schreck und weil sie Luft holte. Es war die Ruhe vor dem Sturm ihres Schmerzensschreis, den sie aus den tiefsten Tiefen ihres Körpers heraufbeschwören musste.
    Gareth kam mit ein paar Kissen zurück in die Küche.
    »Ich habe doch gesagt, sie fällt um.« Rose sah ihn an. Er warf die Kissen auf den Teppich.
    »Ich muss wieder an die Arbeit«, sagte er. »Hast du meine Kaffeedose irgendwo gesehen? Ich kann sie nicht finden.«
    Mit einem kleinen Schauer der Erregung erinnerte sich Rose daran, was sie mit seinem Kaffee gemacht hatte. Die weinende Flossie auf dem Arm, reckte sie sich und langte hinter den Korb mit Annas Eiern. Sie reichte Gareth die Dose.
    »Was macht sie denn da oben?«, wollte er wissen.
    »Ich habe bloß ein bisschen aufgeräumt«, erklärte sie und schaukelte Flossie auf und ab, um sie zu beruhigen.
    »Ach so. Na, dann bis später.« Gareth schien es gar nicht erwarten zu können, aus dem Haus zu kommen, weg von seinem plärrenden Kind und seiner vorwurfsvollen Ehefrau.
    »Um sieben gibt es Essen«, rief sie ihm nach. Dann setzte sie sich Flossie aufs Knie und widmete sich wieder der Einkaufsliste. Gareth verschwand samt Kaffeedose durch die Hintertür. Wenn es etwas gab, was Rose mit absoluter Gewissheit über ihren Mann wusste, dann, dass er ein Gewohnheitstier war.
    Eine Weile später kam Polly mit dem Laptop in die Küche.
    »Ich glaub, ich gehe rüber und schreibe ein bisschen«, verkündete sie und streckte sich wie eine Katze in der Sonne.
    »Aber sei vorsichtig mit Gareths Laptop«, bat Rose.
    »Ich bring’s ihm vorbei«, erwiderte Polly. »Auf diesen Dingern kann ich sowieso nicht schreiben. Ein Stift und Papier, das ist alles, was ich an Technik brauche.« Sie ging zur Hintertür.
    »Polly?«, sagte Rose, nachdem sie tief Luft geholt hatte.
    Polly blieb stehen, eine Hand am Türknauf, und sah sie an.
    »Hast du schon irgendwelche Pläne?«, fragte Rose. »Ich meine, was du machen willst?«
    »Ich arbeite dran.« Pollys Lächeln verschwand. »Lass dich überraschen.« Dann huschte sie zur Tür hinaus und über den Rasen zu Gareths Atelier hinunter.
    Also schön, dachte Rose. Man kann mir nicht vorwerfen, dass ich nicht versucht hätte, das Thema anzuschneiden.
    Sie sah sich in der Küche um, als befände sie sich in einem Raum voller Fremder. Sie hatte das seltsame Gefühl, dass er gar nichts mehr mit ihr zu tun hatte. Zum ersten Mal konnte sie die blankgescheuerten hölzernen Arbeitsflächen ansehen, ohne zu denken, dass sie noch eine Politur Öl nötig hatten. Die Gebrauchsspuren darauf waren lediglich Symptome. Die Pfannen mit ihren Kupferböden hingen wie tot von ihren Haken an der Decke, und die blinkenden Kellen, Löffel und Zangen neben dem AGA an der Wand waren die Werkzeuge ihres Untergangs.
    Gareth und Polly hatten sich zum Arbeiten zurückgezogen, also war es wie üblich an ihr, sich um die Kinder zu kümmern. Irgendwie war es nicht mehr dasselbe. Früher hatte sie gern die Rolle der Hausfrau und Mutter gespielt. Nun war alles in Auflösung begriffen. Es war, als hätte man sie nur ins Haus geholt, weil die richtige Mutter nicht da war und dass sich an der Stelle, wo die Frau gewesen war, für die sie sich immer gehalten hatte, jetzt nur noch ein Vakuum befand, das sie selbst von außen betrachtete.
    Aber wer, dachte sie, füllt dann meinen Platz aus? Das war eine Frage, die sie lieber nicht beantworten wollte.

38
    R ose wollte Anna nicht allein lassen, deshalb rief sie die Jungs und schickte sie mit der Einkaufsliste und zwei Zwanzig-Pfund-Scheinen zum Dorfladen. Sie gab Nico den Weidenkorb mit und musste schmunzeln, als sie sah, wie er vor dem zutiefst weiblichen Gegenstand zurückschreckte. Zuerst versuchte er, ihn sich über die Schulter zu schwingen wie eine etwas unhandliche Reisetasche, aber schließlich musste er einsehen, dass es nur eine mögliche Art gab, ihn zu tragen: in der Armbeuge.
    »Wie Rotkäppchen«, neckte Rose ihn, als er sie finster ansah. Yannis kicherte hinter vorgehaltener Hand.
    »Halt die Klappe, Zwerg«, fauchte Nico. Trotzdem musste Rose ihm Respekt

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