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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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dass du darüber nachdenkst, dir eine eigene Wohnung zu suchen. Es kann ja nicht mehr lange dauern, bis du das Geld vom Hausverkauf bekommst, das hast du selbst gesagt. Wahrscheinlich wirst du näher an London wohnen wollen, und wenn du schon mal hinfahren und dir was ansehen möchtest, dann kümmere ich mich gern um die Jungs, bis du alles für sie vorbereitet hast.«
    »Das ist aber komisch. Erst gestern hat Gareth nämlich zu mir gesagt – jetzt lass mich nicht lügen …« Polly zog sich die roten Lederhandschuhe von den Fingern. »›Aber ja‹, hat er gesagt, ›du kannst so lange bleiben, wie du möchtest, Polly. Dich und die Jungs hier zu haben, das bringt ein bisschen Leben in die Bude‹ …« Sie zitierte dies in einer übertriebenen Version von Gareths amerikanischem Akzent, so dass die Worte klangen, als wären sie vor langer Zeit im Wilden Westen gesprochen worden. Sie hatte sich kerzengerade hingesetzt, so dass sie fast auf Rose herabblickte. Dann begann sie ohne Vorwarnung zu lachen und legte Rose eine Hand aufs Knie.
    »Jetzt mach nicht so ein entsetztes Gesicht. Bestimmt hat er das nicht ernst gemeint. Kann auch sein, dass er es nicht mal genau so gesagt hat.« Sie zog die Nase kraus und versuchte, Roses Blick einzufangen. »Du Arme«, sagte sie. »Du hast den kleinen Urlaub hier wirklich bitter nötig, oder?«
    »Die Fahrausweise bitte, die Damen, an diesem schönen und nebligen Morgen!« Ein untersetzter Schaffner kam durch den Gang auf sie zu. Was ist an diesem Morgen nur bei South West Trains los?, fragte sich Rose. Konnte es sein, dass nur gutgelaunte, gesunde und fröhliche Leute auf dieser Strecke arbeiten durften, damit der Kontrast zu ihrer eigenen Stimmung umso größer war? Sie dachte an Gareth und zum ersten Mal auch daran, was sie in seinem Atelier angerichtet hatte. Ihr wurde schlecht. Plötzlich offenbarten sich ihre Pläne – das Atelier zu durchsuchen, während der Reise auf Polly einzuwirken – als das, was sie wirklich waren: ein krauses Durcheinander. Während sie mit dem Schaffner plauderte, fühlte sie sich im Inneren entwurzelt und verloren. Nach der Sache mit dem Atelier würde Gareth wahrscheinlich nie wieder ein Wort mit ihr reden. Was um alles in der Welt hatte sie getan?
    »Die Füße vom Sitz, Jungchen«, sagte der Schaffner an Nico gewandt, während Rose in ihrer großen Handtasche nach den Fahrkarten wühlte. Irgendwann hatte sie sie gefunden und hielt sie hoch, wobei sie sich selbst wie ein kleines Kind vorkam.
    Der Rest der Fahrt verging in Schweigen. Die einzigen Worte, die Rose und Polly äußerten, waren an die Kinder gerichtet. Es war schon nach Mittag, als sie endlich Brighton erreichten. In der kalten, klaren Seeluft gingen sie den von eisernen Bögen überwölbten Bahnsteig entlang, und jeder Schritt brachte Rose ein Stück ihrer Kindheit zurück. Sie erinnerte sich noch ganz deutlich, wie sie nach Einkaufstouren in London an der Hand ihrer Mutter auf demselben Bahnsteig ausgestiegen war. Das war gewesen, bevor sie in die Pubertät gekommen war, bevor sie sich verändert und alle so bitter enttäuscht hatte. Ganz früher, als sie noch ein liebes Mädchen gewesen war.
    Bei der Golden Crust Baguetterie bogen sie um die Ecke zum Taxistand. Dort wartete niemand, also steuerten sie zielstrebig auf das einzige Taxi zu.
    »He, nicht so hastig«, meinte der Taxifahrer, stieg aus und knallte die Fahrertür zu. »Ich kann Sie nicht alle zusammen mitnehmen. Nicht mit dem ganzen Gepäck und dem Kinderwagen und allem.«
    »Aber das ist doch albern«, protestierte Polly. »Hier passen doch locker sechs Leute rein.«
    »Auf meiner Lizenz steht was anderes, junge Frau«, gab der Fahrer zurück. »Aber vielleicht wissen Sie ja was, was ich nicht weiß.«
    »Das ist doch kein Problem«, schaltete Rose sich ein. »Ich kann mit Floss auch zu Fuß gehen.« Sie brauchte dringend frische Luft. »Das wäre mir sogar lieber. Ehrlich.«
    »Ich will mit dir mitkommen, Mum!«, rief Anna und hängte sich an Roses Arm.
    »Gut, Schatz, komm ruhig mit. Dann kann ich euch zeigen, wo ich mich früher rumgetrieben habe.«
    Anna schmiegte sich an ihre Mutter und sah voller Bewunderung zu ihr auf.
    »Vielleicht werden sich die Damen mal einig, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit«, sagte der Taxifahrer und blies die Backen auf.
    »Also gut, von mir aus«, stimmte Polly zu. »Die Adresse ist St. Luke’s Rise fünfundzwanzig, kannst du dir das merken?«
    »Natürlich«, sagte Rose. »Du

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