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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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nach draußen. Du darfst auf keinen Fall stehen bleiben!«
    Rose ging vorneweg, Trolley und Buggy in einer Hand, Flossie unter dem anderen Arm, den Rucksack auf dem Rücken. Anna hielt sich an ihrem Rock fest, als sie die Stufen hinunter und aus dem Haus flohen. Als Polly, Lucy, Molly und Frank die Haustür erreicht hatten, hatte Rose Kinder und Gepäck bereits im Taxi verstaut.
    Sie richtete sich auf, drehte sich um und betrachtete die Gruppe, die sich verdattert im Türrahmen drängte. Obwohl alles in ihr danach schrie, ins Taxi zu steigen, merkte sie, wie ihre Beine sie in die andere Richtung trugen, die Stufen hinauf, zurück zur Haustür.
    Ihr fiel auf, dass Lucy einen kleinen Schritt zurückwich, um ihre schwangere Tochter abzuschirmen. Aber Rose wollte zu Frank. Sie nahm sein Gesicht in beide Hände und sah ihm tief in die dunkelbraunen Augen, als schaue sie in einen Spiegel.
    »Verzeih mir«, sagte sie. »Eines Tages mache ich es wieder gut. Versprochen.«
    Als sie sich vorbeugte, um ihm einen Kuss auf die Wange zu drücken, merkte sie, wie Pollys knochige Hand sie am Arm packte. Rose schlug sie beiseite, lief auf wackligen Beinen zurück die Stufen hinunter und sprang ins Taxi.
    Als sie die Tür zuschlug, sah sie, dass Polly ihren Platz an der Tür verlassen hatte und auf sie zugelaufen kam.
    »Los«, befahl sie dem Fahrer. »Fahren Sie. Nichts wie weg hier.«
    Was auch immer der Taxifahrer dachte, er wollte keinen Ärger. Der Wagen machte einen Satz nach vorn und schlitterte auf der nassen Fahrbahn, als er am Ende der Straße um die Kurve schoss. Rose schaute ein letztes Mal zurück und sah Frank, der wie vom Donner gerührt auf der Straße stand, während Polly hinter dem Taxi herrannte. Er hatte den Arm um Molly gelegt, die das Gesicht an seiner Schulter vergraben hatte und sich mit ihrem dicken, runden Babybauch an seine Seite schmiegte.
    Erst jetzt wurde es Rose klar: Wenn Molly schwanger und Frank ihr Freund war, dann war das Baby in Mollys Bauch ihr Enkelkind. Sie sog scharf die Luft ein und presste sich die Hand vor den Mund.
    Mein Enkelkind !
    »Alles klar bei Ihnen?«, fragte der Taxifahrer.
    »Ähm …«, machte sie, lehnte sich zurück und versuchte weiterzuatmen. Sie konzentrierte sich auf die Scheibenwischer, die hin- und herglitten und eine Sekunde lang für klare Sicht sorgten, bevor der prasselnde Regen alles wieder verschwimmen ließ. Sie zählte zehn Wischbewegungen.
    Dann schüttelte sie sich. Sie hatte weder Flossie noch Anna noch sich selbst angeschnallt. Was war los mit ihr? Hastig begann sie, mit den Sicherheitsgurten zu hantieren.
    »Es kommt Ihnen doch niemand hinterher, oder?«, fragte der Fahrer.
    »Keine Sorge«, sagte sie und beugte sich über Flossie, um die Babyschale festzuschnallen.
    »Und Sie wissen auch, dass Sie das eine ganze Stange Geld kosten wird?«
    »Was sein muss, muss sein.«
    »Nur dass Sie Bescheid wissen.« Der Taxifahrer, ein väterlicher, untersetzter Mann, dessen breiter Dialekt ihn als in der Nähe der Themsemündung gebürtig auswies, schaltete das Radio ein, und kurz darauf erfüllte der Klang von Easy-Listening-Musik das warme, nach künstlichem Kokosnussaroma riechende Wageninnere, während sie durchs verregnete Land in Richtung Westen fuhren. Der Regen wusch die Begrenzungspfosten und Leitplanken, die Autobahnraststätten und die als Bäume getarnten Mobilfunkmasten. Er ließ Umrisse nassglänzend und scharf hervortreten, so dass selbst im natriumgelben Schein der Straßenbeleuchtung alles klar erschien. Der Regen spülte alles frei, brachte alles an die Oberfläche.
    »Hören Sie, ich will mich ja nicht einmischen, aber wissen Sie wirklich, was Sie tun?«
    »O ja«, antwortete Rose. »Wir sind auf dem Weg nach Hause.«
    »Da bin ich aber froh. Solange Sie wissen, was Sie tun. Wegen den Kleinen und so, meine ich.« Der Mann konzentrierte sich wieder aufs Fahren.
    Auf den Straßen herrschte nur wenig Verkehr, und der Mann fuhr schnell und routiniert. Rose wünschte sich, die Reise möge nie zu Ende gehen. Sie hatte Angst davor, was sie zu Hause erwartete. Sie legte die Arme um ihre schlafenden Töchter und war froh, dass der Taxifahrer nicht versuchte, ein Gespräch mit ihr anzufangen. Sie musste an ihre zwei Mädchen denken, aber nach dem Aufeinandertreffen mit Frank fiel es ihr schwer, ihre Gedanken zu ordnen.
    Trotz ihrer Aufgewühltheit sorgten das unablässige Trommeln des Regens, das rhythmische Hin und Her der Scheibenwischer, die leise Musik

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