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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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Garten. Rose war erstaunt, wie reif sie in der Rolle der großen Schwester wirkte, und sie hasste den Gedanken daran, wie schnell sie in den nächsten paar Monaten würde erwachsen werden müssen.
    Sie atmete tief bis in die hintersten Winkel ihrer Lunge ein und wieder aus, dann öffnete sie die Haustür. Gareth hatte eine Kaffeetasse vor sich stehen und wartete. Als sie eintrat, drehte er sich um, und seine Miene war so leer wie ein Stück Backpergament.
    »Rose.«
    »Hallo.«
    Eine lange Pause folgte. Irgendwann seufzte er.
    »Was hast du dir nur dabei gedacht, Rose?« Seine Stimme klang so müde, wie sie sie noch nie gehört hatte. Nicht einmal während einer seiner depressiven Phasen.
    »Was meinst du?« Es war eine ernstgemeinte Frage. Sie wollte, dass er es benannte.
    »Wo soll ich anfangen? Du machst ja in letzter Zeit eine ganze Menge Sachen, die ziemlich krank sind, zum Beispiel mein Atelier und meine Arbeit zu zerstören!«, brüllte er unvermittelt. Er fuhr in die Höhe und schlug mit der Faust auf den Tisch. Der Löffel in seinem Kaffee hüpfte so heftig, dass Rose befürchtete, die Tasse würde zerbrechen. Er holte einmal tief Luft und riss sich zusammen. »In Brighton bleibst du stundenlang mit meinen Töchtern weg, dann haust du mitten in der Nacht ab, lässt Polly und die Jungs einfach sitzen und bringst alle in eine peinliche Lage.«
    »Ich bringe alle in eine peinliche Lage. Das tut mir aber leid.«
    »Das klingt nicht wie eine Entschuldigung.«
    »Ich bin hier auch nicht diejenige, die sich entschuldigen muss.«
    »Und was soll das jetzt wieder heißen, verdammt noch mal?«
    »Das weißt du ganz genau.«
    »Du hast alles kaputtgemacht, Rose. Es ist alles deine Schuld, aber du bist schon so jenseits von Gut und Böse, dass du es nicht mal siehst. Wir haben dich beobachtet.«
    Rose hatte das Gefühl, als würde ein Teil von ihr durch ihre Schädeldecke hinausströmen. Gareth stand da und sah sie an, als wäre sie eine Wahnsinnige; als wäre sie diejenige, die im Unrecht war, nicht er und seine läufige kleine Hündin. Sie stürzte sich auf ihn, die Hände wie Klauen ausgestreckt. Sie wollte ihn von sich stoßen, aus dem Weg, aus ihrem Leben.
    Aber Gareth war größer als sie und hielt ihrem Angriff mühelos stand. Sein Körper schluckte den Aufprall ganz einfach, und ihre Kraft ging durch seine Füße in den Steinboden. Er packte sie bei den Handgelenken und hielt sie so fest, dass ihr die Knochen weh taten. Er sprach nicht, sondern holte erneut tief Luft und hielt sie von sich weg, als hätte er Angst, er könnte sich an ihr schmutzig machen. Er sah ihr direkt in die Augen, und Rose wurde bewusst, dass sie in das Gesicht eines Fremden blickte.
    »Rose. Rose. Polly und ich machen uns große Sorgen um dich«, sagte er, wobei er seine Stimme nur mit Mühe beherrschte. »Du bist schon lange nicht mehr wie früher. Seit Flossies Krankheit. Und was du in letzter Zeit getrieben hast – sagen wir, von einer Mutter, die Verantwortung für zwei kleine Kinder trägt, erwartet man was anderes.«
    Rose riss sich los und sah zu ihm auf. »Was willst du damit sagen?«
    »Ich mache mir Sorgen um meine Kinder.«
    »Deine Kinder?«
    »Hör zu, Rose, hör mir gut zu. Wir haben uns darüber unterhalten, Polly und ich.«
    »Das glaube ich sofort.«
    Er sah sie mitleidig an. Sie starrte zurück, als könne sie ihn so zwingen, alles zu gestehen.
    »Polly hat mich aus Brighton angerufen – sie hatte ihr Handy vergessen –, um mir zu sagen, was für Sorgen sie sich um dich gemacht hat, und wie du dir vorstellen kannst, war ich selbst ziemlich beunruhigt nach dem, was du mit meiner Arbeit angestellt hattest!« Er wies durch das Fenster zum Atelier hinüber, das leer und verwüstet am Ende des Gartens stand.
    »Ist dir eigentlich klar, dass du mir genauso gut einen Arm hättest abhacken können? Aber du hast meine Kunst ja nie verstanden, Rose, nicht wahr? Für dich war sie immer nur ein Weg, an Geld zu kommen, damit du bei Waitrose einkaufen gehen kannst !«
    Er verstummte und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Dann atmete er erneut tief ein und biss sich auf die Lippe. »Weißt du was? Ich glaube, du hast nie was anderes in mir gesehen als ein Bankkonto, einen Samenspender, ein Mittel zum Zweck.«
    Nicht das schon wieder, dachte Rose.
    »Hast du mich je als Mann gesehen? Als sexuelles Wesen?«
    Rose schnaubte. Dass ausgerechnet er so etwas sagte.
    Er funkelte sie an. »Als irgendwas anderes als die zweite Wahl

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