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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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weiß ich«, sagte Rose, zog sie an sich und drückte sie fest. »Gut. Dann lasse ich dich jetzt mal allein. Du hast alles, was du brauchst?«
    »Das Bett steht ja da«, meinte Polly.
    »Und denk dran, schick die Jungs morgen früh einfach rüber.«
    »Mach ich, keine Sorge.«
    *
    Auf dem Weg zurück stieg Rose der Geruch von Holzrauch in die Nase. Sie ging ums Haus herum und traf Gareth hinten auf der Terrasse, wo er gerade den von ihm selbstgebauten Pizzaofen anfeuerte. Der Ofen war eins seiner Lieblingsprojekte gewesen. Rose hatte den Sinn eines solchen Ofens nicht ganz eingesehen, aber das hatte ihn natürlich nicht abgehalten. Rose benutzte ihn nie – mit dem AGA zurechtzukommen war schon Herausforderung genug –, und da sie diejenige war, die den Großteil der Mahlzeiten zubereitete, hatte ihr stillschweigender Boykott dazu geführt, dass der Ofen noch jungfräulich war. Allerdings hatten sie hin und wieder zusammen draußen gesessen und die Wärme genossen, die er spendete, wenn er brannte und seine Türen offen standen.
    »Wie schön«, wisperte sie und hakte sich bei Gareth unter. Sie standen da, ließen sich von den Flammen die Gesichter wärmen und sahen zu, wie die Funken in den Rauchfang emporstoben.
    »Wo warst du denn eben?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Ich musste noch was im Atelier fertig machen. Ich konnte es nicht stehen lassen. Polly hat gesagt, es ist in Ordnung, wenn ich gehe.«
    »Kam bloß ein bisschen plötzlich. Auf einmal warst du verschwunden.«
    »Es hat ihr wirklich nichts ausgemacht. Außerdem war ich sehr brav heute Abend.«
    »Das stimmt.«
    »Ich gebe mir Mühe.«
    Sie saßen dicht nebeneinander auf der Holzbank, und die Flammen vom Apfelholzfeuer tanzten auf ihren Gesichtern. Es hatte aufgehört zu regnen, die Nacht war kalt und klar. Sie konnten jeden Stern am Himmel sehen, und der Mond war eine scharfe Sichel.
    »Manchmal schreit die Arbeit einfach nach mir«, sagte Gareth. »Ich kann gar nicht glauben, dass ich so lange nichts gemacht habe.«
    »Ich weiß.«
    »Ich habe seit über einem Jahr nicht mehr gezeichnet.«
    »Du hast doch ein paar wunderschöne Grafiken gemacht.«
    »Und Wände und Holzleisten angestrichen.«
    »Und zwar ziemlich gut.« Sie lächelte zu ihm auf. »Außerdem hast du gleich zu Anfang gesagt, dass du selber Hand anlegen willst. Irgendwie hat es dir doch auch Spaß gemacht …«
    »Ja.«
    »Es war oft hart für dich, Gareth, das weiß ich doch.«
    »Ich bin völlig durchgedreht.«
    »Sag das nicht.«
    »Es stimmt aber.«
    »Wir hatten alle unsere schwierigen Momente. Weißt du noch: ›Scheiß drauf – komm, wir gehen und kaufen uns ein schönes kleines Fertighaus‹? Wäre Andy nicht gewesen …«
    Gareth starrte in die Flammen.
    »Ich weiß wirklich nicht, was wir ohne ihn gemacht hätten.« Rose versuchte, den Blick ihres Mannes aufzufangen. »Du hast einen tollen Bruder.«
    »Er ist ganz in Ordnung.«
    Rose musste vorsichtig sein, wenn sie mit Gareth über Andy sprach. Es gab gewisse Konflikte zwischen ihnen. Sie waren beide in dem Glauben aufgewachsen, dass sie Brüder waren. In Wirklichkeit aber war Andy der einzige leibliche Sohn von Pam und John. Aus politischen Gründen hatten die sich damals entschlossen, nur ein leibliches Kind zu bekommen, und selbst damit hatten sie bis jenseits der Vierzig gewartet. Das zweite Kind hatten sie adoptiert, um ihr Glück und ihren Wohlstand mit jemandem zu teilen, der es anderenfalls nicht so gut gehabt hätte.
    An einem der vielen Abende, den Rose mit Andy allein verbracht hatte, während Gareth unter der Bettdecke mit seinen inneren Dämonen kämpfte, hatte sie ihn einmal darauf angesprochen.
    »Warum haben sie es euch nicht gesagt?«, hatte sie ihn während eines Spaziergangs am Fluss gefragt.
    »Sie wollten nicht, dass Gareth sich ausgeschlossen fühlt«, sagte Andy. »Sie müssen wohl geglaubt haben, dass es so das Beste ist.«
    »War es für dich nicht auch ein Schock?«
    »Und wie. Ich meine, wir sehen uns so ähnlich, dass die Leute uns ständig gefragt haben, ob wir Zwillinge sind. Aber für mich war es nicht so eine große Sache wie für Gareth. Er ist nie drüber hinweggekommen. Er hat sich ihnen nie wieder richtig angenähert – jenseits bloßer Höflichkeiten, meine ich. Und jetzt sind Pam und John tot, und es ist zu spät. Sie haben ihn so sehr geliebt, Rose.«
    Rose sah Andy an. Es stimmte, er und Gareth waren sich sehr ähnlich. Beide waren groß und kräftig, beide hatten dieselben

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