Angsthauch
den Beinchen und beobachtete fasziniert einen Kleiderbügel mit buntem Spielzeug, den Rose für sie so an der Decke aufgehängt hatte, dass er direkt vor ihren Augen hin und her pendelte.
»Mama schläft noch«, sagte Nico.
»Sie schläft die ganze Zeit«, fügte Yannis hinzu.
»Sie hat es im Moment nicht leicht – ihr alle nicht«, erklärte Rose und stellte den Jungs den Porridge hin. »Manchmal machen solche Sachen einen so müde, dass man nichts anderes tun kann als schlafen.«
Sie zeigte ihnen, wie sie den Ahornsirup in einer Spirale über den Porridge gießen sollten.
»Sie ist einfach nur ständig besoffen«, sagte Nico.
»Das stimmt«, bestätigte Yannis und sah zu Rose auf.
»Bestimmt ist sie nicht ständig betrunken«, sagte Rose. »Das wird sich schon wieder einrenken, wartet’s nur ab. So, und jetzt haut rein.«
Sie beäugten ihre Schüsseln.
»Na los«, forderte sie die beiden auf.
»Was ist denn das?«, wollte Nico wissen.
»Sieht aus wie Kotze«, sagte Yannis und lachte gackernd. »Oder zermatschtes Hirn.«
»Es schmeckt gut. Na los, probiert mal. Und achtet darauf, dass ihr ein bisschen Sirup mit auf den Löffel bekommt.«
Yannis beobachtete Nico, wie der die Spitze des Löffels in seine Schüssel eintauchte und sich schüttelte, während er den Löffel mit Porridge langsam an die Lippen hob.
»Uäh!« Er spuckte aus, griff sich an die Kehle und fiel vom Stuhl auf den Boden, wo er sich in Todesqualen wand.
»Nico!«, mahnte Rose.
»Eigentlich ist es ganz lecker«, meinte er, stand auf und zuckte mit den Schultern. Sein Timing war perfekt.
Yannis lachte, und die beiden begannen zu löffeln. Sie waren so dünn, dass Rose sich fragte, wo sie das Essen ließen. Stoffwechsel wie Kolibris, dachte sie. Yannis kleckerte ausgiebig und verteilte seinen Porridge über den halben Tisch.
Plötzlich hielt er inne. »Wo ist Gareth?«, fragte er mit einer Spur von Panik in der Stimme.
»Der arbeitet. Er fängt gern schon ganz früh an, bevor jemand anderer wach ist. Er verschwindet einfach in seinem Atelier und legt los.«
»Papa hat auch gemalt«, meinte Nico.
»Ich weiß«, sagte Rose. »Wusstet ihr eigentlich, dass ich euren Vater schon kannte, bevor eure Mum ihn kennengelernt hat?«
»Aha«, sagte Nico, der ganz mit seinem Porridge befasst war.
»Jedenfalls werdet ihr Gareth spätestens heute Mittag sehen. Zum Essen kommt er raus. Manchmal auch früher, um sich frischen Kaffee zu holen.«
»Aber gehen wir heute nicht in die Schule?«, fragte Nico, während er versuchte, die Hinterlassenschaften seines Bruders mit dem Löffel aufzukratzen.
»Lass ruhig, Nico, ich mach das schon.« Rose ging zur Spüle und holte einen Lappen. »Ich weiß nicht. Das hängt von eurer Mutter ab.«
»Bitte …«, bettelte Yannis.
»Bitte, Rose. Wenn wir den ganzen Tag hier rumsitzen, langweilen wir uns bloß.«
»Vielen Dank!«, sagte Rose.
»So war das doch nicht gemeint«, erwiderte Nico. »Aber Mama schläft den ganzen Tag, und wir müssen dann immer mucksmäuschenstill sein.«
Yannis sprang auf und schob die oberen Schneidezähne vor. »Piep, piep!«, sagte er und begann, auf Zehenspitzen in der Küche umherzuhuschen.
»Außerdem«, fügte Nico hinzu und zeigte auf seinen Bruder, »krieg ich die Krätze, wenn ich den ganzen Tag mit dem Spast da verbringen muss.«
»He!«, rief Yannis, sprang seinen Bruder an und zerrte ihn an den Haaren vom Stuhl.
»Spast!« Nico rappelte sich auf und drehte sich zu Yannis herum. Er fasste seinen kleinen Bruder am Kopf und hielt ihn am ausgestreckten Arm von sich weg.
Yannis schwang die Fäuste, aber da er ein gutes Stück kleiner war als Nico, konnte er ihn nicht erreichen. Sein Gesicht war wutverzerrt. »Wichser!«, schrie er.
Nico lachte über den hilflosen Zorn seines Bruders, aber dann schlüpfte Yannis unter seinem Griff hindurch und erwischte ihn in der Magengrube.
»So, du Arschgesicht! Du hast es ja nicht anders gewollt!«, schrie Nico und warf Yannis zu Boden.
»Hallo, ihr beiden!«, rief Rose und versuchte dazwischenzugehen. Kurzzeitig hatte es ihr die Sprache verschlagen. Wo hatten die Jungs auf Karpathos solche Ausdrücke gelernt?
Die Jungs rollten quer durch die Küche genau auf die Ecke zu, in der Flossie auf ihrem Fell lag und sich an ihrem Kleiderbügel erfreute.
»Schwanz!«, kreischte Yannis und trat nach seinem Bruder. Sein Fuß sauste haarscharf an Flossies Kopf vorbei.
»Jetzt reicht es aber, ihr zwei! Schluss damit, sofort!« ,
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