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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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speziellen Kredit für städtische Angestellte, mit dessen Hilfe sie die Anzahlung auf die Wohnung leisten konnten. Mittlerweile allerdings war der Beitrag, den sie zu ihrem Aufstieg geleistet hatte, so gut wie unter den Tisch gefallen. Sowohl Gareth als auch Rose selbst neigten dazu, ihr materielles Fortkommen ausschließlich als Ergebnis seiner Arbeit zu betrachten. Im Laufe der Jahre hatte sich Roses Rolle von der Hauptverdienerin zur Frau eines erfolgreichen Malers und schließlich zur Mutter seiner wundervollen Kinder gewandelt. Sie wusste, dass es angebracht gewesen wäre, deswegen Verbitterung oder zumindest eine gewisse Wehmut zu empfinden, aber sie war ehrlich zufrieden mit ihrem Leben.
    Gareth schnarchte leise. Rose drehte sich seufzend auf die Seite. Ihr blieben nur noch wenige Stunden, bis Flossie für ihre Nachtmahlzeit wach wurde, und sie musste unbedingt schlafen.
    Nachdem sie eine halbe Stunde lang vergeblich versucht hatte, sich zu entspannen, gab sie es auf. Leise, um Gareth nicht zu wecken, kletterte sie aus dem Bett. Sie zog sich ihren Morgenmantel über – einen antiken altrosafarbenen Kimono, den Gareth ihr von einer Vernissage in Japan mitgebracht hatte – und schlich in ihren Schaffellpantoffeln die Treppe hinunter.
    Auf dem unteren Treppenabsatz blieb sie stehen und sah durch das Rundbogenfenster zum Nebengebäude hinüber. Im Zimmer der Jungen war es dunkel, aber bei Polly brannte noch Licht. Auch die Vorhänge waren noch geöffnet. Rose stand ganz still, ein Stück seitlich vom Fenster, und beobachtete Polly, wie sie rauchend auf und ab ging. Ihre Haare schwangen hin und her wie ein schmutziger Fuchsschwanz. Rose überlegte, ob sie hinübergehen und nachfragen sollte, ob es ihr wirklich gutging.
    Aber dann fing Flossie an zu wimmern und sich unruhig in ihrem Bettchen zu wälzen, zwei Stunden früher als üblich. Rose stieß einen leisen Fluch aus. Floss hatte auf der Fahrt vom Flughafen zu lange geschlafen. Dann noch die alkoholisierte Milch und das Wegfallen ihres üblichen Einschlafrituals – all das zusammengenommen musste ihren Rhythmus durcheinandergebracht haben.
    Rose eilte zurück nach oben, um Flossie zu holen, bevor Gareth aufwachte. Ihre kleine Tochter lag gurrend in ihrem Bett und streckte die Ärmchen aus vor Freude, dass ihre Mutter so schnell auf ihr Rufen reagiert hatte. Rose nahm sie hoch und ging mit ihr nach unten, wo sie es sich in ihrem Lieblingssessel gemütlich machte. Sie breitete eine Decke über sie beide, setzte sich zurecht und dämmerte, begleitet vom rhythmischen Saugen des Babys und dem Kribbeln des einsetzenden Milchflussreflexes, allmählich ein.
    Als sie aufwachte, waren sie und Flossie in eine Blase aus Körperwärme eingehüllt. Flossie schlief. Ein dünnes Rinnsal Milch war auf ihrer kühlen, weichen Wange getrocknet. Ganz vorsichtig, damit sie nicht wach wurde, trug Rose sie zurück nach oben. Auf dem Weg in den ersten Stock blieb sie erneut beim Bogenfenster stehen und sah nach nebenan. Das große Licht war inzwischen ausgeschaltet, nur ein kleines Glimmen war noch sichtbar. Wahrscheinlich las Polly. Oder sie schrieb – Rose wusste, dass sie gern im Bett arbeitete. Oder lag sie einfach nur da und dachte an einen Strand, ein Haus, einen Mann, ein Leben, das sie und ihre Söhne verloren hatten?
    Arme Polly.
    Rose ging weiter, legte Flossie zurück in ihr Bettchen und deckte sie mit ihrer kleinen Decke zu. Dann schlich sie auf Zehenspitzen über den Flur zu ihrem Schlafzimmer, zog Kimono und Pantoffeln aus und legte sie an ihren angestammten Platz. Sie schlug die glatte, saubere, nach Lavendel duftende Bettdecke zurück und schlüpfte ins Bett neben ihren attraktiven, tüchtigen, lebendigen Ehemann. Ihr wohlgenährtes Baby schlief wenige Meter entfernt, und ihre kerngesunde, kluge ältere Tochter träumte ein Stockwerk tiefer in ihrem frisch gestrichenen, wunderbar geräumigen Kinderzimmer von schönen Dingen.
    Wie gut es das Schicksal mit ihr meinte.
    Rose legte sich hin und zählte all die Gaben in ihrem Leben ab wie Perlen an einem Rosenkranz, bis sie in einen tiefen, wohltuenden Schlaf sank.

8
    U m sieben Uhr kamen Nico und Yannis zum großen Haus heruntergelaufen. Rose, die wegen Flossie bereits auf war, machte ihnen zum Frühstück Porridge mit Ahornsirup. Mit verstrubbelten Haaren, Schlaf in den Augen und kratzigen Stimmen saßen die zwei Jungs am großen Küchentisch. Flossie lag auf ihrem Lammfell, brabbelte vor sich hin, strampelte mit

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