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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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machen, in welcher Beziehung wir alle zueinander stehen.«
    »Ah«, sagte Rose. »Und ich dachte, sie hätte mich gar nicht wahrgenommen.«
    »Es ist ziemlich komisch.« Polly grinste. »Sie hat gedacht, ich wäre Gareths Frau!«
    »Und für wen hat sie mich gehalten?«, fragte Rose.
    »Willst du das wirklich wissen?«
    »Sag schon.« Rose zwang sich zu einem Lächeln.
    »Für seine Ex!« Polly kicherte, als wäre es die Pointe eines Witzes.
    »Und wie hat sie sich dann bitte schön Flossie erklärt?«, hakte Rose nach. »Oder die Tatsache, dass Gareth uns zweimal am Tag besuchen kommt und uns zu essen und zu trinken bringt?«
    »Ganz ruhig, Rose«, sagte Polly. »Ich hab doch nur wiedergegeben, was sie – fälschlicherweise – gedacht hat. Ist doch lustig.«
    »Blöde Kuh«, knurrte Rose, ließ sich auf ihren Stuhl fallen und kippte einen großen Schluck von ihrem Tee hinunter. Sie streckte die Beine aus und rieb sich die Augen. »Scheiße, ich muss hier raus.«
    Sie tranken und unterhielten sich über die Kinder.
    »Es ist so toll, wie sie miteinander umgehen, Rose. Als wären sie Geschwister. Anna ist ganz vernarrt in meine beiden.«
    »Und was ist mit dir, Poll? Wie geht es dir?«
    »Ganz gut. Der Witwen-Zyklus ist fast fertig. Gareth hat angeboten, den Besitzer vom Lamb zu fragen, ob ich bei ihm vielleicht ein kleines Konzert geben kann.«
    »Wow«, sagte Rose. Das Lamb war das Pub in ihrem Dorf, in dem erstaunlich gute Musikveranstaltungen stattfanden. Viele erfolgreiche Lokalbands aus Bristol und Bath traten dort auf, aber auch auf nationaler Ebene bekannte Gruppen gaben sich gelegentlich die Ehre. Sogar Jarvis Cocker hatte einige Jahre vor seinem Comeback ganz spontan ein Unplugged-Konzert im Lamb gegeben – so wollte es zumindest die Legende. Es wäre die perfekte Location für Polly, um ihre neuen Songs vorzustellen.
    Als Gareth vom Einkaufen zurückkam, hatte Rose Polly alles über ihre Schwierigkeiten mit den anderen Eltern erzählt.
    »Rose muss hier raus, Gareth«, sagte Polly. »Sonst dreht sie noch durch.«
    »Das wundert mich nicht«, meinte er. »Wie wär’s, wenn du morgen früh für ein Weilchen nach Hause fährst? Ich löse dich ab, und du kannst dich ausruhen, ein Bad nehmen, ein bisschen im Garten arbeiten – wozu du Lust hast. Du kannst zurückkommen, nachdem du die Kinder von der Schule abgeholt hast.«
    Es war ein guter Vorschlag, und Rose hatte ausreichend Muttermilch abgepumpt. Sie stießen mit einem Schluck Whisky auf Flossie an, dann verabschiedeten sich Polly und Gareth. Als Rose sie davongehen sah, verstand sie, wieso die andere Mutter sie für Mann und Frau gehalten hatte. Sie waren beide langgliedrig, und auch Haare und Gang ähnelten einander, so dass man automatisch annahm, sie gehörten zusammen.
    Rose schüttelte sich. Ich werde hier wirklich noch verrückt, dachte sie.
    Später am Abend kam die Stationsschwester, um nach Flossie zu sehen. Rose berichtete ihr von ihren Plänen für den nächsten Tag und bat sie um ihre Meinung. Die Schwester sah Rose an, als sei diese geistig zurückgeblieben.
    »Sie brauchen dazu nicht meine Erlaubnis«, sagte sie. »Vor zwanzig Jahren waren die Eltern nur zu den Besuchszeiten hier, und wenn Sie mich fragen, hat uns das die Arbeit um einiges erleichtert.«
    Rose lachte, als hätte die Schwester einen Scherz gemacht, aber als sie deren Miene sah, wurde ihr klar, dass sie es ernst gemeint hatte, also verstummte sie.
    Als Rose an diesem Abend Flossie ansah, erwiderte diese ihren Blick. Bildete sie sich das bloß ein, oder war etwas anders an ihrer Tochter? Fehlte da nicht irgendetwas? Vor dem Unfall mit den Tabletten hatte Flossie jeden Tag ein Stück mehr an Definition gewonnen – ein Baby, das auf dem Weg zum Kleinkind war. Doch jetzt schien sich dieser Prozess umgekehrt zu haben. Sie wirkte irgendwie unscharf.
    Nun, da Flossie aufgewacht war, war es den Ärzten möglich, genauere Prognosen zu stellen. Schwere kognitive oder körperliche Behinderungen etwa konnten ausgeschlossen werden. Was die weniger auffälligen Nachwirkungen anging, waren sie sich hingegen noch nicht sicher. Die Schäden – falls es überhaupt welche gab – würden aller Voraussicht nach gering sein: vielleicht ein gelegentliches Stottern oder eine leichte Leseschwäche. Möglicherweise würde es gar keine wahrnehmbaren Veränderungen geben. Überhaupt wäre es so gut wie unmöglich, festzustellen, was eine Folge der Vergiftung war und was Teil von Flossies

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