Angsthauch
tun. Aber ich konnte einfach nicht aufhören, und ich musste immer wieder zu ihr gehen.«
»Erspar mir die Einzelheiten, Si, bitte.« Rose wusste wirklich nicht, ob sie noch mehr erfahren wollte, vor allem wenn sie Flossie bei sich hatte. Es war einfach falsch. Unanständig.
Simon nahm sich zusammen. »Sie hat mich dazu gebracht, die heftigsten Sachen zu machen, Rose. Und jede Stunde, jede Minute des Tages habe ich gedacht: ›Ich will wieder zu ihr und es noch mal machen und noch mal.‹ Sie hat irgendwas in mir ausgelöst, was – also, was Dunkles. Etwas, von dem ich vorher selbst gar nichts wissen wollte.«
Rose war fassungslos. Zu fassungslos, um aufzustehen und zu gehen.
»Und dann hat sie mir einfach die Tür vor der Nase zugeknallt. Letzte Woche. Sie hat gesagt, sie wolle mich nicht mehr sehen. Sie hätte genug von mir – und ich habe keine Ahnung, wieso.«
»Aber du willst mich jetzt nicht allen Ernstes fragen, ob ich zwischen euch vermittle?« Der Funken des Zorns, den Janet mit ihrem Bericht über die Kinder in Rose angefacht hatte, flackerte auf und brannte tief in ihr. Warum musste alles so heillos verstrickt sein?
»Ich wollte dir nur sagen, dass du vielleicht glaubst, diese Frau zu kennen. Aber es gibt noch eine andere Seite an ihr, und die ist so finster …«
»Warum erzählst du mir das?« Rose wollte nach Hause, auf der Stelle.
»Einfach weil … weil die Dinge nicht immer so sind, wie sie nach außen hin den Anschein haben.«
Rose stand auf. »Sie will nicht mehr mit dir schlafen, Simon. Sie hat keine Lust mehr auf dich, das ist alles. Ich will nicht weiter darüber reden, und es war völlig überflüssig, mir die ganze Geschichte zu erzählen. Ich habe keine Lust, mich in irgendwelche Spielchen zwischen dir und Miranda mit reinziehen zu lassen. Ich verurteile niemanden, aber ich will gar nicht verstehen, was du mit Polly getrieben hast, und ich hasse es, wenn jemand von mir verlangt, mich auf eine Seite zu schlagen oder zu lügen. Ich bin also nicht gerade die ideale Person für eine Beichte. Und Polly ist –«, an dieser Stelle zögerte sie einen Moment lang, während sie versuchte, den passenden Ausdruck zu finden, »– meine beste Freundin. Vor nicht mal zwei Monaten ist ihr Mann gestorben, es ist also kein Wunder, dass sie ein bisschen neben sich steht.«
»Rose …«, sagte Simon und nahm ihre Hand.
»Weißt du was? Es interessiert mich nicht, was dich alles an ihr anmacht und was nicht.«
»Bitte. Tut mir leid.«
» Nein , Simon. Ich gehe jetzt nach Hause.« Sie stapfte durchs nasse Gras davon, wobei sie die Füße absichtlich hochhob, um es niederzutrampeln.
»Da war Blut im Spiel!«, rief Simon ihr hinterher. »Richtig viel Blut!«
*
Als Rose beim Pförtnerhaus ankam, hatte sie aufgehört zu zittern. Gareth war in der Küche. Er schrak hoch, als Rose die Tür öffnete. Sie baute sich in der Mitte des Raums auf.
»Gareth, was weißt du über Simon und Polly?«
»Ich wünsche dir auch einen guten Morgen, Schatz.« Gareth kam zu ihr und drückte ihr einen Kuss ins Haar.
»Morgen. Was weißt du über Simon und Polly?«
»Na ja, nicht mehr als du, würde ich sagen.« Gareth zuckte mit den Schultern.
»Wir haben neulich Abend gesehen, wie sie zusammen ins Nebengebäude gegangen sind.«
»Na und? Sie sind beide erwachsen, oder nicht?«
»Es ist nur …«
»Was?«
»Nichts.«
»Ich muss wieder an die Arbeit. Rose? Ist alles in Ordnung?«
»Willst du Kaffee?«, fragte sie, während sie bewegungslos in der Mitte des Raumes verharrte.
»Nein, danke. Ich habe mir gerade erst einen gemacht. Bis später dann.« Er ging zur Hintertür hinaus, die mit einem Knall hinter ihm zuschlug, dass die Fensterscheibe wackelte.
Rose fiel ein, dass sie vergessen hatte, ihn zu fragen, wieso die Kinder die letzten Tage allein zur Schule gegangen waren. Sie wollte ihm nachgehen, aber plötzlich überkam sie eine tiefe Müdigkeit. Vielleicht war es besser, einfach von vorn anzufangen, statt sich über das Geschehene den Kopf zu zerbrechen. Schließlich war sie ja jetzt wieder da.
Mit Flossie vor dem Bauch setzte sie sich an den Küchentisch und sah zum Nebengebäude hinauf, wo sie Polly mit der Gitarre in der Hand im Fenster des Wohn-Schlaf-Zimmers stehen sah.
Rose hatte das Gefühl, als starre Polly auf sie herab.
25
R ose musste schon bald feststellen, dass der äußere Anschein von Ordnung, den sie bei ihrer Rückkehr im Haus vorgefunden hatte, eine Illusion war. Sobald sie
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