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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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er zurückkam.
    »Was?« Rose fuhr zu ihm herum.
    »Mamas Fingerspitzen sind ganz blutig, vom vielen Gitarrespielen«, sagte er. »Sie hat echt ’nen Knall.«
    »Kommt sie denn zum Essen?«
    »Sie hat gesagt, danke, aber sie kann nicht. Sie hat zu viel zu tun. Wir sollen ihr was aufheben, sie holt es sich nachher, wenn sie Zeit hat.«
    Bis zum Konzert war es nicht mal mehr eine Woche, und Rose vermutete, dass es von nun an jeden Tag so ablaufen würde. Sie machte einen Teller für Polly zurecht, deckte ihn mit einem zweiten Teller ab, und nach dem Essen schickte sie Anna damit nach nebenan.

26
    F lossie lag reglos auf ihrer Spieldecke. Vor dem Krankenhausaufenthalt – so lautete Roses verklärende Chiffre für den Alptraum – hatte sie die Decke eigentlich ausmustern wollen. Flossie hatte, von Kissen gestützt, aufrecht sitzen können und sogar den Impuls erkennen lassen, sich von der Stelle bewegen zu wollen, was bei einem Baby die geistige Vorbereitung aufs Krabbeln war.
    Seit sie wieder zu Hause waren, hatte Rose mehrmals versucht, Flossie in den Sitz zu ziehen, aber sie war jedes Mal wieder umgekippt. Schließlich hatte Rose in ihrem altgedienten Babyratgeber nachgeschlagen.
    Nach einer Krankheit, insbesondere einer, die einen Krankenhausaufenthalt nötig macht  – da war er wieder, der gefürchtete Euphemismus –, ist es nicht ungewöhnlich, wenn Ihr Baby einen oder zwei Schritte in seiner Entwicklung zurück macht. So ist etwa ein Baby, das vorher sitzen konnte, danach vielleicht nicht mehr dazu in der Lage. Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. In den allermeisten Fällen ist schon nach kurzer Zeit alles wieder im Lot.
    Das gab Rose neue Hoffnung. Dass alles wieder ins Lot kam – nichts anderes wünschte sie sich für Flossie. Nach kurzer Zeit ist alles wieder im Lot . Das klang so sachlich, so realistisch. So erreichbar.
    Doch vorerst lag Flossie still auf ihrer Decke. Sie stram pelte weder mit den Beinen, noch fuchtelte sie mit den Fäu stchen. Immerhin hatte sie die Augen geöffnet. Sie erwiderte Roses Blick und folgte dem Finger, den diese vor ihrem Gesicht hin und her bewegte. Manchmal lächelte sie sogar ein bisschen. Dennoch wurde Rose das Gefühl nicht los, dass irgendetwas fehlte. Da war diese Leere. Nicht wie bei einem Neugeborenen, das noch ein unbeschriebenes Blatt ist, sondern eher, als sei etwas verlorengegangen.
    Rose hatte deswegen schon mehrmals mit Kate telefoniert. Kate hatte stets freundlich und verständnisvoll reagiert, aber beim dritten Anruf hatte Rose das Gefühl gehabt, dass ihre Freundin sie für überbesorgt hielt.
    »Du musst einfach ein bisschen Geduld haben, Rose. Tut mir leid, aber trotz allem, was dir die meisten Ärzte glauben machen wollen, ist Medizin keine exakte Wissenschaft. Es gibt viele Grauzonen, und ich fürchte, Flossie fällt in eine davon.«
    Rose wandte sich ihrer Grauzone von Tochter zu. Sie hatte ihr Kind im Stich gelassen, und jetzt konnte sie nicht einmal dafür sorgen, dass alles wieder gut wurde. Sie musste sich zwingen, Hoffnung zu haben. Sie musste ihre Erwartungen herunterschrauben, durfte nicht zu viel verlangen.
    Nichts von alldem fiel ihr leicht.

27
    D ie Tage vor Pollys Gig waren merkwürdige, einsame Tage für Rose. Sie sah Polly insgesamt nur drei-, vielleicht viermal, immer wenn diese zum Haus herunterkam, um Teller zurückzubringen oder sich mehr Kaffee und Wein zu holen. Die Gelegenheit für ein Gespräch ergab sich nie. Wenn es ihnen tatsächlich gelang, ein paar Worte zu wechseln, ging es ausschließlich um Pollys bevorstehenden Auftritt und darum, wie sie mit den Songs vorankam. Gareth schien ähnlich arbeitswütig, er ließ sich nur blicken, wenn er Kaffeenachschub brauchte oder es Abendessen gab.
    Am Montag nach ihrer Rückkehr aus dem Krankenhaus kam ein großes Paket von Amazon mit der Post, das an Gareth adressiert war. Rose ging hinunter zum Atelier. Sie machte einen Bogen um den nassen Rasen und dachte an die Trittsteine, die sie legen wollte, sobald Zeit und Geld da wären. Sie konnte sehen, wie Gareth an seinem uralten Winkelschreibtisch über ein Skizzenbuch gebeugt dasaß. Eine Lampe mit einer Tageslichtbirne beleuchtete seinen Arbeitsplatz. Sie fühlte sich privilegiert, weil sie wie die Fliege an der Wand unbeobachtet einen flüchtigen Blick auf seine Welt werfen durfte. Sie kam ihr so geheimnisvoll und exotisch vor.
    Sie klopfte an, trat ein und wartete an der Tür – Gareth hasste es, wenn man einfach

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