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Angsthauch

Angsthauch

Titel: Angsthauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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den Küchentisch.
    Dann konnten die Gäste kommen.

4
    W ie lange dauert es denn noch?«
    Anna zupfte Rose an der Jacke. Es wurde allmählich spät, und sie waren beide ein wenig gereizt. Sie warteten bereits seit über einer Stunde in Heathrow. Pollys Flugzeug war wegen eines Sturms auf Kreta mit Verspätung gestartet, und auf keinem der Monitore wurde eine genaue Ankunftszeit angezeigt, lediglich der völlig nutzlose Hinweis, man solle weitere Informationen abwarten.
    Die Reiswaffeln und Äpfel, die sie als Wegzehrung mitgenommen hatten, waren aufgegessen, und Anna wurde langsam ungeduldig. Rose fragte sich, ob es nicht besser gewesen wäre, sie zu Hause zu lassen. Zum Glück schlief Flossie tief und fest in ihrem Tuch, so hatte sie es wenigstens nur mit einem quengeligen Kind zu tun.
    »Okay, dann lass uns zu Starbucks gehen«, schlug sie vor. Dort angekommen, entschied sich Anna nach langem Hin und Her für eine große heiße Schokolade mit Sahne und Marshmallows. Rose bestellte ein Glas Tee.
    Sie setzten sich so, dass sie sowohl die Monitore als auch den Ankunftsbereich im Blick hatten.
    Rose liebte es, den ankommenden Passagieren zuzuschauen. Wann immer sie jemanden vom Flughafen abholen musste, kam sie absichtlich ein bisschen früher. Gareth gegenüber behauptete sie dann, es sei für den Fall, dass sie nicht gleich einen Parkplatz fand, aber in Wirklichkeit wollte sie die Momente des Verlorenseins und Wiederfindens beobachten, die Augenblicke, in denen sich die Beziehungen zwischen Menschen auf das bloße Aufeinandertreffen reduzierten. Es war wie im Theater: Die Reisenden treten auf, ihre Koffer hinter sich herziehend, und schauen sich orientierungslos um. Es kommt zu einem Moment des Zögerns, dann erspähen sie den- oder diejenigen, die gekommen sind, um sie abzuholen, und die Szene wird auf einmal ganz rein und klar: Ein Winken, Schritte beschleunigen sich, man fällt einander in die Arme.
    »Schau mal, da«, sagte Rose zu Anna und zeigte mit dem Finger. Ihre Stimme hakte ein wenig. Eine junge blonde Frau hatte soeben einen Gepäckwagen voller roter Koffer durchs Gate geschoben, jetzt war sie stehen geblieben und suchte die Menge ab. Oben auf den Koffern thronte, gegen jegliche Sicherheitsbestimmungen verstoßend, ein kleiner rothaariger Junge. Das Gesicht des Jungen begann zu leuchten, als ein großer, schlaksiger Mann auf ihn zugelaufen kam und ihn in die Arme nahm. Der Haarfarbe nach zu urteilen, musste es der Vater des Jungen sein. Vielleicht waren sie nur wenige Tage voneinander getrennt gewesen, aber Rose hatte den Eindruck, dass es länger gewesen sein musste. Kamen die Frau und der Sohn nach Hause? Oder waren sie dem Vater nachgereist? Warum umarmte der Vater nur den Jungen, nicht aber die Frau? Schließlich traten sie nach links ab. Die Frau schob immer noch den Wagen, der Mann trug das Kind. Ihre Geschichte würde weitergehen, und Rose würde nie erfahren, wie.
    Wie traurig war dagegen ihr letztes Flughafenerlebnis gewesen, als sie mit Anna von ihrem Besuch bei Polly auf Karpathos zurückgekommen war. Rose hatte sich so sehr auf ihre eigene kleine Wiedersehensszene gefreut, immerhin war sie vierzehn Tage von Gareth getrennt gewesen, der sich ein wenig zu hastig bereit erklärt hatte, in England zu bleiben und das Nebengebäude bis zu ihrer Rückkehr bewohnbar zu machen.
    Aber er war nicht da, und sie standen wie bestellt und nicht abgeholt am Treffpunkt in der Ankunftshalle herum. Wie so oft ging Gareth nicht ans Handy. Selbst bei gutem Netzempfang hörte er den Klingelton nicht, ganz egal, wie laut man ihn einstellte. Rose spürte, wie sich mit jeder Minute des Wartens ein Stückchen des mitgebrachten Urlaubsgefühls und der Sonnenbräune verflüchtigte. Als er endlich auftauchte – fast eine Stunde zu spät –, war sie wütend und gekränkt. Sie wollte nur noch so schnell wie möglich nach Hause. Den großen Strauß Gänseblümchen, den er ihr aus ihrem neuen Garten mitgebracht hatte, würdigte sie kaum eines Blickes.
    Rose und Anna tranken ihre Tassen leer und gingen zurück zur Absperrung. Anna machte Überschläge am glänzenden Geländer, bis ein missmutig aussehender Mann vom Sicherheitsdienst kam und es ihr verbot. Rose, die den Sinn des Verbots nicht einsehen wollte, war drauf und dran, eine Diskussion mit ihm anzufangen. Nur Annas peinlich berührtes Flehen – »Lass doch, Mum« – hielt sie davon ab.
    Endlich wurde durchgesagt, dass die Maschine, auf die sie warteten,

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