Angstpartie - Thriller
freitagnachmittags häufig zu Hause.« Der Ton von Wetherbys Sekretärin machte deutlich, dass sie beide den Grund dafür kannten: Joanne.
»In Ordnung. Dann rufe ich ihn dort an.«
»Brauchen Sie die Nummer?«
»Die habe ich, danke.« Liz dachte einen Moment lang nach. Sie störte Charles nicht gern, glaubte aber, er sollte Bescheid wissen.
»Hallo Charles«, sagte sie, als er abnahm. »Ich bin’s, Liz. Tut mir leid, dass ich Sie zu Hause anrufe, aber es hat sich etwas ergeben.«
Sie hörte ihm einen Augenblick lang zu. »Morgen früh. Das lässt sich einrichten. Gut. Natürlich geht das. Nein, ich glaube, ich nehme den Wagen.« Sie notierte sich die Wegbeschreibung. »Das finde ich«, sagte sie. »Zehn Uhr dreißig passt gut. Bis dann.«
Erleichtert, dass er sofort verstanden hatte, wie dringlich die Angelegenheit war, legte sie auf. Sie würde sein wohlverdientes Wochenende durcheinanderbringen, aber das ließ sich nicht vermeiden. Sie selbst hatte nichts Besonderes
vor. Es würde seltsam sein, Charles in seinem eigenen Haus zu treffen. Und natürlich war Liz neugierig auf Joanne. Auch gut, dachte Liz, endlich lerne ich sie einmal kennen.
32
Viel Verkehr herrschte um diese Zeit am Samstagmorgen noch nicht. Deshalb machte es Liz so viel Spaß wie selten, in ihrem Audi durch das Stadtzentrum von London zu fahren. Die Läden öffneten gerade und entlang der Bayswater Road hängten die Künstler ihre Bilder für den allwöchentlichen Kunstmarkt auf die Geländer. Liz fuhr durch Earls Court zum Hammersmith-Kreisverkehr. Den Fluss überquerte sie in Chiswick. Obwohl die Luft nach der wolkenlosen Nacht noch kühl war, öffnete sie das Fenster.
Eine Viertelstunde später erreichte sie die ersten gediegenen Orte der Grafschaft Surrey. Die Häuser und Gärten wurden größer, dazwischen gab es kleine Gehölze oder Ponykoppeln. Liz staunte wieder einmal über das viele Grün kaum zwanzig Meilen von Westminster entfernt.
Als sie die Stadt Shepperton passiert hatte, warf sie einen Blick auf Charles’Wegbeschreibung. Sie bog auf eine Nebenstraße und von dort auf eine noch schmalere Straße ab. Zum Fluss konnte es von hier aus nicht weit sein. Schließlich schwenkte sie nach links in eine Sackgasse, wo sie parkte. Hinter einer ausgedehnten Rasenfläche stand eine mittelgroße Jugendstilvilla mit hohen Holzgiebeln. Auf dem kleinen Schild am Gartentor stand Mill Run .
Liz ging über einen von Rosenbeeten gesäumten Gartenpfad zur Haustür und klingelte. Eine Weile lang musste
sie warten, dann hörte sie leichte Schritte. Die Tür ging auf.
Vor Liz stand eine Frau in einem schlichten blauen Baumwollkleid und einer Strickjacke. Sie war dünn - zu dünn. Das musste Joanne sein. Die Frau hatte ein schönes, freundliches Gesicht. Das rotbraune Haar, das sie sich zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, war von grauen Strähnen durchzogen. Ihre tiefblauen Augen lagen weit auseinander, was sie sehr verletzlich wirken ließ.
»Hallo, ich bin Liz Carlyle. Ich möchte gern zu Charles.«
Die Frau lächelte. »Ich bin Joanne.« Sie reichte Liz die Hand. »Kommen Sie doch bitte herein. Ich habe gerade Teewasser aufgesetzt.«
Liz folgte ihr den Flur entlang an einer breiten Eichentreppe vorbei. Das Haus wirkte sehr wohnlich und gemütlich. In der Küche schlief neben einem gigantischen, uralt aussehenden Herd ein Kater in seinem Korb. Mitten im Raum stand ein großer Esstisch, auf dem Zeitungen lagen. Hier war es still, friedvoll und sonnendurchflutet.
»Was für eine schöne Katze.« Liz hätte gern gewusst, wo Charles blieb.
»Das ist Hector. Inzwischen ist er zu alt für Raufereien mit seinen Kumpanen aus der Nachbarschaft. Kaffee oder Tee?«
»Kaffee, bitte.« Liz setzte sich an den Tisch, während Joanne zwei große, blauweiß gestreifte Tassen füllte.
»Charles musste kurz weg«, erklärte sie. Sie setzte sich zu Liz an den Tisch. »Wir hatten einen kleinen familiären Notfall.« Mit ihrem Lächeln deutete sie an, dass es sich nicht um eine echte Katastrophe handelte. »Einer unserer Söhne hat sich beim Kricket den Fuß gebrochen. Er ist übers Wochenende nach Hause gekommen, damit wir mit ihm leiden können. Normalerweise würde er von der
Haltestelle aus laufen. Aber er hat einen Gips, deshalb holt Charles ihn ab. Die beiden werden bald hier sein.«
Liz sah sich in der behaglichen Wohnküche um. Sie war mit alten Holzschränken möbliert, Kupfertöpfe hingen an Haken an den Wänden. Es gab eine große
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